Gesunder Menschenverstand in Zeiten von Meinungsmache und Fake News
Von Oliver Knüppel | 27.03.2020
Foto: Ideaman, You Tube Video
Postfaktische Gesellschaft…. So nennen manche die gesellschaftliche Entwicklung auf die die Menschheit seit einiger Zeit zusteuert. Nachdem das klare und bewiesene wissenschaftliche Wissen Jahrhunderte lang der heilige Gral des rationalen Menschen war, tritt nun langsam eine Veränderung ein. Das Wissen wird verdrängt von Meinung, von Emotionalität.
Das ist erst einmal nichts Neues. Mit Meinungsmache wurde schon immer Politik gemacht und die Menschen zur Wahlurne oder in den Krieg getrieben. Der Unterschied ist nur, dass heutzutage zum Beispiel ein amerikanischer Präsident ganz offen und unverhohlen die Unwahrheit sagen kann, wenn ihm die Fakten nicht gefallen. Er nennt dies dann „alternative“ Fakten. Und er wird kaum dafür geächtet. Es heißt, der Bürger erwarte gar keine Wahrheiten mehr von seinen Politikern…
Ich bin in der „Prae“-Internet-Ära aufgewachsen. In meiner Jugend gab es auch schon einen Menge Meinungen, aber nicht annährend so viele wie heutzutage bzw. wurde man nicht so sehr mit ihnen konfrontiert. Ich war vor vielen Jahren völlig verblüfft, als ich das erste Mal aus einem Spiegel Online Artikel heraus las, dass der Redakteur den ganzen Artikel am PC zusammen gegooglet hatte, ohne das Büro einmal zu verlassen und sich in der Welt draußen mit dem Thema auseinanderzusetzen, es mit den eigenen Sinnen zu recherchieren.
Ohne dem Informationsgeber einmal in die Augen geschaut oder dessen Stimme gehört zu haben und gefühlt zu haben, ob dieser ihm Fakten oder „alternative“ Fakten präsentiert. – Mittlerweile ist dieser Gedanke für mich normal geworden. Genauso, wie die Informationsbeschaffung fast ausschließlich über Medien für den modernen Menschen normal geworden ist.
Ich habe diesen kleinen Film im Internet gefunden. Darin geht es auf humorvoll-verblüffende Weise darum, dass eine Lehrerin plötzlich dafür kämpfen muss, den Kindern beibringen zu dürfen, dass 2+2=4 ist. Und nicht 22, wie ein Schüler von ihr meint.
Sie wird von den Eltern beschimpft, sie beschränke die Kinder in ihrer Freiheit und wird von einer wachsenden Menge an Menschen gemobbt. Dann wird sie vor einen Ausschuss gestellt, im Fernsehen angeprangert und am Schluss medienwirksam gefeuert. Der Film nimmt trotzdem ein – halbwegs – gutes Ende, möchte ich schon einmal voraus stellen.
Wir sollten uns beim Betrachten des Films einmal auf die Szenen konzentrieren, in denen sich die Nachrichten und Talkshows im Fernsehen mit dem Thema beschäftigen. Denn an diesem Moment müssten wir unsere Entscheidung entweder für die Lehrerin mit ihren Fakten oder den Mob mit seinen Meinungen, seinen tendenziösen Behauptungen und seiner manipulativen Emotionalität treffen.
Wir würden uns natürlich für die Lehrerin entscheiden, denn der Fall ist ja so überspitzt, dass es gar nicht anders geht. Zwei plus zwei ist nun einmal (zweifellos?) Vier. Aber wie oft lassen wir uns von den Medien und ihren Akteuren meinungs- und nicht faktenbasiert mitreißen in einem Strom der Emotionalität von Angst, Sorge, Empörung, Wut – – – und wieder Angst?
Viele sitzen in diesen Zeiten so vor dem Fernseher oder vor dem Bildschirm und müssen Fakten von Fiktion trennen. Ich glaube, wir können uns nicht immer nur über Medien (ein Medium steht immer „dazwischen“. Das ist die Bedeutung des Wortes.) über die für uns relevanten Fakten klar werden. Wir müssen uns umschauen. In unserem Gesichtskreis bleiben und betrachten, was uns direkt betrifft.
Dort werden wir Freunde und Verwandte sehen, auch verunsichert, aber wahrscheinlich gesund. Und wenn sie erkältet sind, nun es ist wirklich das Wetter dafür. Für einen kleinen – einfachen – Schnupfen.
Wir werden leere Toilettenpapierregale sehen, aber hey, irgendwer hat es gehortet. Vielleicht rufen wir einmal einen Nachbarn an. Wir haben genug zu essen, es ist warm und wir haben ein Dach über dem Kopf. Die Regierung schmeißt das Geld vielleicht endlich mal für richtige Gründe – wie z. B. die Unterstützung von Kleinunternehmern – aus dem Fenster. Und manche Leute müssen tonnenweise Spaghetti im Keller haben! 😉
Die meisten von uns – sicherlich nicht alle! – könnten es sich eigentlich in dieser Situation leisten, an den Nächsten, der es nicht so gut hat, zu denken – wie die Flüchtlinge zum Beispiel. Und wir könnten unsere eigenen Sorgen weit, weit herunterfahren, um wieder einen rationalen Blick zu bekommen, der uns wieder ein rationales Handeln in Kraft und nicht in Angst ermöglicht.
Für MENSCHLICHE WELT gilt dies übrigens nicht nur während der „Corona-Krise“. MENSCHLICHE WELT handelt zu allen Zeiten und bei allen Themen nach den Prämissen der Rationalität. MENSCHLICHE WELT macht faktische Politik auf Grundlage rationaler Erkenntnisse.
Auch, wenn die Emotionen gerade rundherum bis zum Himmel hoch kochen. MENSCHLICHE WELT lässt sich davon nicht beeinflussen und versucht, auf Basis von rationalen Gesichtspunkten, auf Basis von Fakten, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen.
Schaut Euch den Film einmal an. Die Argumente der „2+2 muss nicht 4 sein“-Vertreter sind nicht schlecht: Emotionsgeladen, zum Kinderwohl, für die Freiheit des Denkens, gegen Kommunismus und Faschismus… Aber sie sind faktisch falsch. Daran ändert weder der Grad an Emotionalität noch die Menge der Verfechter etwas.
Wir sollten immer genau hinschauen. Und wenn uns jemand zu sehr emotionales Feuer unter dem Stuhl machen will, dann sollten wir besonders genau schauen, ob er mit seinem Strohfeuer nicht nur die klare Kühle der eigentlichen Fakten überdecken will.
Ich wünsche Euch alles Gute und viel Erfolg auf der Suche nach den Fakten in den derzeit so übermäßig emotionsgeladenen Debatten! Denkt dann manchmal an die kleine Lehrerin aus dem Film und fragt Euch, ob es nicht auch heute eine leise Stimme der Vernunft gibt, die einfach nur übertönt wird… Aber auch das hier ist jetzt nur eine der vielen Meinungen im Internet…
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