| April 8, 2021
Das Geheimnis von Zeit und der Weg zu einem langen Leben
Einsteins Antwort auf die Frage, was Zeit ist, lautete schlicht: “Zeit ist, was die Uhr misst.” Seine eher scherzhafte Antwort liegt jedoch näher an der Wahrheit, als ihm selbst vielleicht bewusst war.
Analoge Uhren funktionieren meist mit Hilfe von sich bewegenden Zeigern. Während Zeit verstreicht, bewegen sich die Zeiger und wieviel Zeit vergangen ist, sehen wir anhand der Strecke, die sie zurückgelegt haben. Wir messen Zeit also mittels Bewegung. Je mehr Bewegung stattgefunden hat, desto mehr Zeit ist vergangen.
Ist das nur eine Eigenheit von klassischen, analogen Uhren? Nein. Unser Jahr ist anhand der Bewegung relativ zur Sonne definiert. Ein Monat wird grob anhand der Bewegung des Mondes relativ zur Erde bestimmt, ein Tag durch die Drehung der Erde um sich selbst. Selbst modernste Uhren messen die Zeit, indem sie die Anzahl von mikroskopischen Schwingungen – und damit Bewegungen – in bestimmten Kristallen messen. Selbst die Dauer einer Sekunde ist wissenschaftlich definiert als etwa neun Milliarden Schwingungen von Elektronen eines Cäsium-Atoms.
Zeit von Bewegung zu trennen ist unmöglich. Zeit braucht Bewegung. Auf einem Photo steht die Zeit still, weil sich darauf nichts bewegt. Aber gilt das auch umgekehrt? Kann Bewegung ohne Zeit existieren?
Ja, wenn wir schlafen zum Beispiel. Befinden wir uns im Tiefschlaf bewegt sich die Welt um uns herum weiter, aber die Zeit hört für uns auf zu existieren. Wir schlafen Abends ein und wachen morgens auf, ohne das Gefühl, die verstrichenen Stunden wirklich erlebt zu haben.
Manch einer mag nun einwenden: “Gut, das ist aber hochgradig subjektiv. Objektiv vergeht die Zeit für alle gleich. Für alle am selben Ort ist zur gleichen Zeit 8 Uhr Morgens oder 3 Uhr Mittags. Die Zeit vergeht also unabhängig davon, ob sie jemand wahr nimmt oder nicht.”
Ist das wirklich so? Tatsächlich reicht es immer aus, über Bewegung zu sprechen. Für alle bewegt sich die Erde immer gleich weit um die Sonne, egal ob sie wach sind oder schlafen, sich beim Schlangestehen langweilen oder eine aufregende Zeit durchleben. Wie sich das Universum um uns herum bewegt, hat wenig bis gar nichts damit zu tun, wie viel wir von der Bewegung wahrnehmen.
Zeit hingegen ist vor allem eine Wahrnehmung, eine Interpretation. Belebte, ereignisreiche Tage erscheinen uns in Windeseile vorüber zu gehen während langweilige Tage, ohne viel Bewegung, schier endlos wirken können. Als Kinder erscheinen uns ein paar Stunden Wartezeit als kaum zu meisternde Geduldsprobe, währen wir uns als Erwachsene oft fragen, wo die letzten paar Stunden eigentlich abgeblieben sind.
Der Unterschied liegt in der Häufigkeit und Intensität wahrgenommener Ereignisse. Für Kinder steckt die Welt noch voller unbekannter Erscheinungen. Ihr Nervensystem, und damit ihre Gefühlswelt, reagiert sprunghafter und stärker auf unbekannte Reize. Bei kleinen Kindern kann man häufig beobachten, dass sie nahezu von einem Moment auf den Anderen in heftiges Weinen und dann wieder große Freude verfallen können. Kinder sind an eine kürzere Abfolge, intensiverer Erlebnisse gewöhnt. Zeiträume ohne viel Bewegung erleben Kinder daher ungleich länger, als Erwachsene.
Erwachsene hingegen kennen das Meiste von dem, was ihnen im Alltag begegnet bereits. Wir arbeiten routiniert und entsprechend unserer Gewohnheiten. Unser Körper und Geist werden seltener mit neuen Reizen konfrontiert und reagieren generell gelassener. Wir sind es gewohnt, dass eher selten etwas aufregendes passiert und an Tagen, an denen dann viel los ist, scheint die Zeit zu fliegen.
Entscheidend für unser Zeitempfinden ist, wie häufig und intensiv wir Bewegungen – oder hier besser: Veränderungen – wahrnehmen. Jede wahrgenommene Veränderung dient uns als Anhaltspunkt oder Messpunkt dafür, dass wieder ein bisschen Zeit vergangen ist. Viele solcher Messpunkte während eines Tages lassen die Bewegung der Erde um sich selbst gering erscheinen, verglichen mit Bewegung in unserem Leben. Aus dieser Sicht wirkt der Tag dann kurz.
Er wird jedoch auch länger, und zwar auf eine bedeutsamere Weise. Häufige und intensive Erfahrungen aktivieren unseren Geist mehr, als Gewohnheit und Routine. Dann erleben wir die Zeit, statt sie nur zu verleben. Ebenso bleiben von solchen Tagen mehr Erinnerungen zurück, die uns in der Rückschau das Gefühl geben, viel erlebt zu haben. Wir können daher sagen, dass sich ein aktives und ereignisreiches Leben länger und reicher anfühlt, als ein passives und leeres.
Zeit ist etwas sehr Subjektives. Sie existiert nur als Empfindung und wie wir sie wahrnehmen hängt letztlich von vielen inneren und äusseren Faktoren ab. Zeit ist in ihrem Kern nichts anderes als ein geistiges Maß für Bewegung oder Veränderung. Sie ist ein vorwiegend mentales Phänomen. Ohne eine Psyche, die Bewegungen wahr nimmt und als Voranschreiten von Zeit empfindet, gibt es keine Zeit. In einem Universum ohne Lebewesen gäbe es keine Zeit, nur Bewegung.
Verstehen wir Zeit auf diese Weise als eine hauptsächlich geistige Erscheinung, können wir erkennen, dass wir mehr Einfluss auf sie haben, als wir gemeinhin denken. Indem wir ein aktives Leben leben, vergrößern wir den bewusst wahrgenommenen Anteil unserer reise auf diesem Planeten. Darauf, wie aktiv Leben, haben wir viel mehr Einfluss, als darauf, unseren Todeszeitpunkt nach hinten zu verschieben. Ersteres wirkt beinahe garantiert, Zweiteres ist stets ungewiss.
Daher ist es ratsam, sich regelmässige, intensive Aktivitäten anzugewöhnen. Meditation ist dafür bestens geeignet. Für sie brauchen wir eigentlich nichts ausser uns selbst und einen Platz zum sitzen. Sie kann selbst sehr erlebnisreich sein und erhöht unsere Empfindungsfähigkeit stetig, sofern wir regelmässig praktizieren.
Das Geheimnis der Zeit liegt in ihrer vorwiegend geistigen Natur. Der Weg zu einem langen und interessanten Leben führt über eine aktive Lebensweise.
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