Die 4 Phasen Spiritueller Entwicklung
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Spirituelle Entwicklung ist der einzige Bereich menschlichen Lebens, in dem unbegrenzter Fortschritt möglich ist. Die materielle Welt, die Welt der externen Dinge, wie auch die geistige Welt, die Welt der Gedanken und Ideen, verändern sich ständig.
Was auch immer erschaffen, verstanden oder gedacht wird, wird früher oder später vergangen oder vergessen sein. Eine geradlinige Bewegung hin auf ein Ziel, ein Ziel, welches es vermag, den tiefen Durst der menschlichen Seele nach mehr und mehr Glück und Zufriedenheit – nach mehr und mehr Fortschritt – zu stillen, bietet nur die Spiritualität.
Der spirituelle Pfad führt jeden, der ihn gewissenhaft beschreitet, näher und näher zu sich selbst. Er lässt uns lernen zu unterscheiden zwischen jenem, das vergänglich ist und jenem, das bleibt.
Diese Reise zu uns selbst verläuft in vier Etappen. Jede Etappe ist durch ein neues Verständnis darüber gekennzeichnet, wo die Grenzen zwischen unserer subjektiven, inneren Welt und der objektiven Außenwelt verlaufen.
Phase 1 – Die Phase des Durchhaltens (Yatamana)
In der ersten Phase – Yatamana – identifizieren wir uns hauptsächlich mit unseren Sinnes- und Motororganen. Werden unsere Zunge durch einen angenehmen Geschmack, unsere Augen durch einen schönen Anblick oder unsere Ohren durch wohltuende Klänge angeregt, empfinden wir Freude.
Unsere Sinnes- und Motororgane werden durch von außen stammenden Eindrücken oder von nach außen gerichteten Aktivitäten stimuliert und lösen dadurch innere Regungen aus, die wir als Gefühle oder Emotionen wahrnehmen.
Da wir uns mit unseren Sinnes- und Motororganen identifizieren, also nicht klar zwischen den ihnen und uns unterscheiden können, halten wir jene externen Gegebenheiten, welche unsere Organe wahrnehmen, für die Ursache der inneren Regungen, welche unseren angeregten Organen in uns hervorrufen.
Wir denken dann, dass diese oder jene Speise, dieser oder jener Film, diese oder jene Musik die Ursache für unsere Freude oder unser Leid sind.
Yatamana, die erste Phase, wird auch die Phase des Durchhaltens genannt. Des Durchhaltens gegenüber immer neuen Angriffen der Außenwelt, die uns leicht dazu verführen können, den spirituellen Weg zu verlassen, weil wir den Ursprung unserer guten Gefühle in den Objekten der Außenwelt verorten und leicht unsere Motivation zur spirituellen Praxis verlieren können.
Phase 2 – Die Phase der Ausdauer (Vyatireka)
Bleibt der spirituelle Aspirant seiner Praxis trotz aller Hindernisse der externen Welt treu, gelangt er in die zweite Phase, die Phase der Ausdauer – auch Vyatireka genannt.
In Vyatireka ist unser Ich-Gefühl, also das Gefühl „das bin ich“, weniger stark an unseren Organen verhaftet. Unser subjektives Empfinden wandert hin zu jener Struktur, die die Organe koordiniert und steuert –unserem Geist oder auch unserer Psyche.
Materieller Genuss verliert hier zunehmend seine Anziehung. Wurden unsere inneren Regungen in der ersten Phase noch vornehmlich von äußeren Objekten ausgelöst, sind es nun geistige Prozesse, die unser Innenleben maßgeblich bestimmen.
Ideen, Gedanken, Erinnerungen und Vorstellungen sind hier unsere dominanten Identifikationspunkte. Wir neigen dazu, uns mit unseren geistigen Prozessen zu verwechseln und sehen unsere inneren Regungen, ob freudig oder leidvoll, als von ihnen verursacht.
Unser Geist ist das Subjekt und wir identifizieren uns mit selbigem.
Diesen Trugschluss zu überwinden, erfordert viel Zeit. Um ihn zu überwinden, müssen wir vieler unserer vielen, unterschiedlichen geistigen Prozesse wiederholt als von uns getrennt wahrnehmen. So erkennen wir langsam, welche Bestandteile dieser Prozesse beständig sind, und welche nicht. Anders ausgedrückt lernen wir besser zu verstehen, wo die Grenze zwischen Subjekt und Objekt verläuft. Dabei rückt sie näher an unseres wahres Selbst heran.
Phase 3 – Ekendriya
Bringen wir die nötige Ausdauer auf, erlernen wir mit der Zeit all unsere mentalen Prozesse als von uns getrennt wahrzunehmen. Unser Geist ist die Gesamtheit all unserer mentalen Prozesse. Wir erlernen also, unseren Geist aus der subjektiven Welt hinauszulösen und in die objektive Welt einzubetten.
Wir nehmen unseren Geist dann auf ähnliche Weise als Objekt wahr, wie wir in vorigen Phasen Dinge der Außenwelt als Objekte wahrnehmen.
Dieser Wandel markiert den Übergang in die nächste Phase namens Ekendriya. Eka ist das Sanskrit Wort für eins und Indriya bedeutet Organ im Sinne von Sinnes- oder Motororgan. Yogis betrachten den Geist, als Kontrolleur aller zehn Organe, häufig als elftes Organ. Ekendriya ist in diesem Sinne zu verstehen.
In Ekendriya kanalisieren unseren Geist vollständig auf ein einziges Ziel, das höchste Ziel: reines Bewusstsein. Möglich wird das durch eine weitgehende Objektivierung des Geistes selbst.
Wir identifizieren uns dann mit unserer „kleinen Seele“, also dem Teil des höchsten Bewusstseins, der beinahe alle Qualitäten des höchsten selbst besitzt, jedoch nur als Zeuge unserer persönlichen inneren Vorgänge fungiert und somit weder ungebunden noch endlos ist.
Gleichwohl bleibt diese „kleine Seele“ – auch Atman genannt –weitestgehend unberührt von Wandel und Veränderungen. Sie funktioniert als direkter Zeuge aller Ereignisse in unserer unmittelbaren Realität, ist diesem Wandel aber nicht selbst unterzogen.
Identifizieren wir uns mit unserem Atman erleben wir einen tiefen, inneren, glückseligen Frieden. Wir verstehen dann, dass der Ursprung all unserer inneren Regungen weder in weltlichen noch in geistigen Prozessen liegt. All unser Erleben beginnt und endet im Atman.
Doch gestillt ist unser Verlangen noch immer nicht.
Phase 4 – Vashiikara
Endgültigen inneren Frieden erlangen wir erst in der vierten Phase namens Vashiikara. In Vashiikara verstehen wir, dass selbst unsere kleine Seele, unser Atman, nicht das letzte Subjekt ist. Wir erfahren, dass ein noch subtileres Wesen existiert, dass die Existenz des Atman selbst bezeugt.
Dieses Wesen übersteigt die Grenzen dessen, was wir in den Bereich unseres kleinen Selbst oder unserer kleinen Seele bringen können. Wir haben keine Möglichkeit es zu erfassen, da es das selbst das höchste Subjekt ist und wir seine Objekte sind. Geistige Techniken zur Erforschung von Ursache und Wirkung verlieren hier ihre Wirksamkeit.
Den letzten Schritt, die vierte Phase, können wir nur erreichen, indem wir uns selbst, den Sinn unseres eigenen Daseins, unser eigenes Ich-Gefühl vollständig diesem Wesen hingeben.
Denken, fühlen, verstehen – all diese Dinge verlieren ihre Bedeutung. Alles was bleibt ist die Abhängigkeit vom höchsten Wesen allein. Was auch immer es will, ist, was ich will, was auch immer es mich wissen lässt ist, was ich wissen will, was immer es mich erfahren lässt ist, was ich erfahren will.
Die eigene Existenz ist vollständig auf das höchste Wesen ausgerichtet. Nichts anderes ist mehr von Bedeutung.
Im Antlitz göttlichen Bewusstseins verblasst die eigene Identität zunehmend. Das Ich gefühlt wird Teil eines kosmischen Spiels, welches gleichermaßen vom göttlichen dirigiert und aufgeführt wird.
Diese kosmische Einheit, das Gefühl untrennbarer Verbundenheit mit dem Kosmos allein vermag die unstillbare Sehnsucht des menschlichen Herzens doch zu stillen.
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