Die WLAN-Gefahr.
Ein Professor für Neurophysiologie warnt vor den gesundheitlichen Folgen von WLAN-Funkwellen in den Schulen.
Von Éva Péli
„Wir kämpfen dauernd: Kinder, kein WLAN in den Schulen!“ Das sagt Karl Hecht, Jahrgang 1924, emeritierter Professor für Neurophysiologie und experimentelle und klinische pathologische Physiologie der Humboldt-Universität zu Berlin (Charité). „Aber das Gegenteil wird gemacht. Deshalb war der Lockdown eine furchtbare Situation.“
Seine Expertise stützt sich auf 66 Jahre Arbeit als Wissenschaftler und Arzt — als Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, Neuro- und Pathophysiologe, Leiter eines Schlaflabors bei der Charité sowie als Weltraummediziner. Physiologie ist die Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen. Er hat sich unter anderem mit Muskel-, Sinnes-, Nerven-, Kreislauf- und Arbeitsphysiologie beschäftigt. Die pathologische Physiologie ist die Wissenschaft von der krankhaften Funktion der Lebewesen.
Hecht weist auf eine unsichtbare Gefahr hin:
„Weil man die elektromagnetischen Felder (EMF) nicht sehen, nicht hören, nicht riechen, nicht spüren kann, glauben die Menschen nicht, dass es sie gibt. Die Funkwellen sind athermisch, also ohne Wärmewirkung, und richten großen Schaden an, vor allem bei Kindern.“
Der Arzt ist besorgt: „Der junge Organismus, der noch nicht ausgereift ist, das geht bis zum 20. Lebensjahr, erleidet großen Schaden.“
Die Hirnforscherin Gertraud Teuchert-Noodt von der Universität Bielefeld hat laut Hecht nachgewiesen, „dass bei den Kindern das Vorderhirn geschädigt wird und sie zum Psychopathen werden“. Studien der letzten Jahrzehnte hätten die verheerenden Folgen des übermäßigen Digital-Konsums auf die Gesundheit bestätigt, aber getan werde wenig.
Unermüdlicher Mahner
In einem 2019 veröffentlichten Forschungsbericht mit dem Titel „Gesundheitsschädigende Effekte von Smartphone, Radar, 5G und WLAN“ warnt Hecht auf 88 Seiten „vor den Todessünden der digitalisierten Menschheit“. In der Einführung des Berichts beschreibt er das Ziel seiner Arbeit:
„Damit möchte ich die Menschheit aufrütteln, die dieser ernsten Situation mit Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit begegnet.“
Er möchte „als Arzt eine wissenschaftlich begründete und der Wahrheit entsprechende Warnung ausrufen, bevor es zu spät ist“. Damit reiht er sich nach eigenen Worten in eine lange Reihe der warnenden Experten ein, deren Wahrheit nicht geglaubt, ignoriert oder verspottet wird. Doch: „Die technogene Digitalisierung ist das Faktum, welches das Fass der Unvernunft zum Überlaufen bringt und Gesundheit und Leben der Menschheit gefährdet.“
Gefährlicher Elektrosmog
Schon in den 1960er-Jahren habe es in den USA ungefähr 15 Konferenzen gegeben, in denen Wissenschaftler sich mit den athermischen und thermischen Wellen beschäftigt haben, erinnert sich der emeritierte Professor. Sie hätten 1969 in einem Report einer unabhängigen Kommission für Regierung gewarnt, dass der Elektrosmog, also die elektromagnetischen Wellen genauso verheerend wirken können wie die Chemie. Aber dieser Report sei nach einiger Zeit von der Industrie und den Militärs unter Verschluss gebracht worden.
In seinem 2019 erschienenen Bericht zeigt Hecht an Beispielen, „welche gesundheitsschädliche Entwicklung schon vorausgegangen ist, als die technogene Digitalisierung noch in den Kinderschuhen steckte“.
Der Arzt betont die pathogene Rolle des sogenannten oxidativen Stresses bei der Einwirkung von Funkwellen. Oxidativer Stress wird durch einen zu hohen Anteil freier Radikale im menschlichen Körper ausgelöst. Freie Radikale sind wichtige Bestandteile des menschlichen Organismus und werden bei vielen Prozessen vom Körper selbst gebildet. Erst bei einer zu hohen Konzentration werden die Teilchen zu einem gesundheitlichen Problem. Besonders betroffen sind laut Hecht von der gravierenden Schädigung der Gesundheit die Kinder und die noch Ungeborenen im Mutterleib.
Fehlende Forschung
Der deutsche „Nestor der oxidativen Stressforschung“, Gerhard Ohlenschläger, zählt laut dem Bericht die elektromagnetische Strahlung zu den auslösenden Faktoren für den Überschuss an freien Radikalen im menschlichen Organismus. Er warnte:
„Alle Krankheiten, alle degenerativen Leiden (…) werden durch freie Radikale induziert, erzeugt und unterhalten.“
Hecht kritisiert weiter im Bericht, dass das Bundesamt für Strahlenschutz keine eigene Forschung durchführt. Seine Projekte sind von der Zustimmung der Mobilfunkindustrie abhängig, die 50 Prozent der Projektkosten bestreitet.
Mit der massenhaften Ausbreitung des Mobilfunks wurde von einem privaten Verein industrienaher Techniker, Ingenieure und Physiker (ICNIRP) ein Grenzwert definiert. Ein führendes Mitglied des ICNIRP hat als Vorsitzender der Strahlenschutzkommission der Bundesrepublik Deutschland durchgesetzt, dass diese Werte von der Regierung als Gesetz verabschiedet wurden. Seither berufen sich Regierung, Bundesamt für Strahlenschutz, Forschung und Justiz auf diese Werte mit der Kernaussage, bei Einhaltung der Werte bestehe keine gesundheitliche Gefahr.
Klares Urteil
„Diese Aussage ist wissenschaftlich falsch, negiert die Forschungen von über sieben Jahrzehnten und leugnet die entscheidenden nichtthermischen biologischen Effekte der Mobilfunkfrequenzen. Ihre Befolgung bedeutet, dass Bevölkerung und Natur ungeschützt einer ubiquitären (Anmerkung der Autorin: allgegenwärtigen) Noxe ausgesetzt werden.“
Der Begriff Noxe bezeichnet in der Medizin einen Stoff oder ein Ereignis, welcher beziehungsweise welches einem biologischen Organismus einen Schaden zufügt, also die Krankheitsursache.
Alexander H. Vogler, Professor von der Technischen Hochschule Aachen, hatte 2001 festgestellt:
„Die Behauptung einer Schutzwirkung — der Grenzwerte — durch die Behörden ist als wissenschaftliche Falschinformation anzusehen. Dies entspricht rechtlich allen Merkmalen des Betrugs und schließt grob fahrlässige bis absichtliche Gefährdung und Körperverletzung ein.“
Doch in den Medien herrscht „Funkstille über Strahlungsschäden“, so der Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger 2007 in der internationalen Zeitschrift für Journalismus „Message“. Das begründet er unter anderem mit der geschäftlichen Nähe zahlreicher Medien zur Mobilfunkindustrie. Krüger wies darauf hin, dass 80 Prozent aller Mobilfunkstudien von der Mobilfunkindustrie finanziert wird.
Sowjetische Erkenntnisse
Hecht hatte mit einigen Kollegen in den 1960er-Jahren ein privates Stressinstitut gegründet. Das Bundesamt für Telekommunikation beauftragte sie Ende der 1990er-Jahre, eine Recherche der sowjetischen und russischen Fachliteratur von 1960 bis 1996 durchzuführen. Das Thema: „Einfluss von Funkwellen, elektrischer Wellen auf biologische Prozesse, von Null bis Gigahertz, also ganz breit“.
In kurzer Zeit hatten die Wissenschaftler über 800 Literaturquellen bearbeitet und das Ergebnis auf 100 Seiten festgehalten, berichtet Hecht, mehr durften sie nicht. Er erinnert sich:
„Wie wir das abgeliefert haben, ist das sofort im Archiv verschwunden. Und eine Präsentation, die wir damals im Bundesministerium für Umwelt halten wollten, hat nie stattgefunden. Die haben das sogar verleugnet.“
Die Ergebnisse wurden jedoch publiziert und in mehrere Sprachen übersetzt. Die Resonanz war international groß. „Aber wir wurden auch immer angegriffen“, erzählt Hecht.
In dieser Literaturrecherche ist ein großer Teil arbeitsmedizinische Untersuchungen enthalten. Der Wissenschaftler berichtet von dem sogenannten Dispensair-System, das in der Sowjetunion im arbeitsmedizinischen Bereich sehr verbreitet war. Die Arbeiter wurden gesund eingestellt — an Radarstationen, Elektrizitätswerken, überall, wo elektrische, elektromagnetische Strahlen waren. Sie wurden jedes Jahr durchgecheckt, teilweise sogar mit EKG und EEG (Untersuchungsmethoden für die Messung der elektrischen Aktivität des Herzens und des Gehirns — Anmerkung der Autorin). Wer krank war, wurde behandelt und bekam meistens eine neue Arbeitsstelle. Das wäre heute hier überhaupt nicht möglich, meint Hecht.
Langfristige Gesundheitsschäden
Bei den Untersuchungen sei festgestellt worden, dass frühestens nach drei Jahren Veränderungen auftreten. Er betont, dass der Grenzwert dabei um drei Zehnerpotenzen niedriger war als der deutsche Grenzwert.
Es seien vor allem Schlafstörungen, psychische und nervale Störungen, Erschöpfung, also funktionelle Störungen, teilweise auch genetische Schäden festgestellt worden.
Je länger die Menschen im Arbeitsprozess waren, umso größer wurde die Menge der Schäden, erzählt Hecht. Sie wurden durchschnittlich zehn Jahre untersucht. Es sei ein Ablauf zu beobachten gewesen wie serielle Stressphasen, also Alarmreaktion, erst mal eine große Reaktion, dann Gewöhnung. In drei Jahren passierte nichts. Und dann nach drei Jahren begannen die Schäden.
„Und die machen alle hier höchstens ein Jahr oder sehr selten zwei Jahre Studien. Keine Langzeitstudien. Und sagen: Das ist nicht so schlimm und wirkt sogar positiv.“
Nach der Veröffentlichung des Berichts erreichten Hecht Anfragen aus aller Welt von elektrosensiblen Menschen, deren Symptome als Nocebo — eingebildeter negativer Effekt — eingestuft wurde — „mindestens über tausend, sie haben mich konsultiert. Die radargeschädigten Bundeswehrsoldaten kamen zu mir, da habe ich Gutachten gemacht. Das war auch eine Schande. 3.750 registrierte Radargeschädigte und etwa nur 600 haben Entschädigung bekommen. Weil man die athermische Wirkung nicht anerkennt.“ Das WLAN ist athermisch, stellt er klar.
Gefährliches 5G-Netz
Hecht erzählt von dem „Moskauer Signal“ aus der Zeit des Kalten Krieges — von 1962 bis 1979 — mit tragischen Folgen. Die US-amerikanische Botschaft in Moskau hatte eine starke Abhöranlage aufgestellt. Auf der Straßenseite gegenüber haben die Sowjets einen Störsender aufgestellt, der das Abhören verhindern sollte. Erst nach 17 Jahren haben sie die Aktion beendet. In dieser Zeit waren vier Botschafter in Dienst. Zwei von ihnen sind an Krebs gestorben und einer an Leukämie, so Hecht.
Das gehöre zu den Folgen der eingesetzten elektromagnetischen Wellen, die um vier Zehnerpotenzen (10.000-fach) niedriger waren als der in Deutschland festgelegte Grenzwert. „Ich bin Zeitzeuge dieser Ereignisse und befand mich in dieser Zeit zwecks wissenschaftlicher Arbeiten in Moskau“, erinnert er sich und kehrt gleich zu der Gegenwart zurück:
„Und wenn wir jetzt 5G haben, wird man insgesamt vernetzt (…) Das geht ja alles durch die Mauern durch. Bisher gab es immer eine Strahlenkeule, jetzt sind es 64 Strahlenkeulen, die wirken alle. Es soll schneller gehen, alles.“
Internationale Wissenschaftler und Ärzte warnen vor möglichen schweren gesundheitlichen Auswirkungen der 5G-Mobilfunktechnologie und fordern ein Moratorium bis „potenzielle Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt vollständig durch industrieunabhängige Wissenschaftler erforscht wurden“, so Hecht im Bericht.
Er ist der Meinung, dass die Funkwellen und elektromagnetischen Wellen so schädlich für die Gesundheit der Menschen und vor allem der Kinder sind, dass sie dringend stark reduziert werden müssten. Handys und Tabletts hätten in der Schule nichts zu suchen.
Damit wendet er sich deutlich gegen den 2019 beschlossenen „Digitalpakt Schule“.
Russisches Vorgehen
Der Pathophysiologe erzählt, dass es in Russland ein „nationales Komitee zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung“ gibt. Dieses habe im Lockdown über das Gesundheitsministerium allen Eltern und Großeltern eine Anleitung gegeben, wie lange ein Kind am Computer sitzen und welche Pausen gemacht werden müssen, um sich zu schützen. „Die Grenzwertfestlegung in Russland ist niedriger“, betont Hecht dazu, „während in Deutschland die athermische Wirkung schlicht verleugnet wird.“
Vor der Dauerbestrahlung durch WLAN-elektromagnetische Felder warnt sogar die Telekom in ihrer bedienungsanleitung zum Telekom-Router-Speedport:
„Die integrierten Antennen Ihres Speedport senden und empfangen Funksignale beispielsweise für die Bereitstellung Ihres WLAN. Vermeiden Sie das Aufstellen Ihres Speedport in unmittelbarer Nähe zu Schlaf-, Kinder- und Aufenthaltsräumen, um die Belastung durch EMF so gering wie möglich zu halten.“
Unermüdliche Aufklärung
Mittlerweile ist laut Hecht die Mehrheit der Bevölkerung schon so manipuliert, durch „die Mediensucht, die Computersucht, die Handysucht. Das ist schon weit verbreitet, dass selbst das Bundesärzteblatt das erwähnt hat“. Er kläre weiter auf, „aber jemanden vom Computer wegzukriegen ist schwer. Und da war der Lockdown natürlich noch eins drauf. Das war unverantwortlich.“ Der 97 Jahre alte Wissenschaftler und Arzt bleibt jedoch optimistisch:
„Dennoch werde ich weiter intensiv die Menschen aufklären und wachrütteln! Dem natürlichen Homo sapiens gehört die Zukunft, nicht dem technischen Menschen mit Hirnchips.“
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Dieser Artikel erschien im Rubikon-Magazin unter dem Titel “Dire unsichtbare Gefahr”.
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