Gastbeitrag | Februar 21, 2022
Hormone: Kuriere zwischen Körper und Geist
Von Indrajit Joachim Voigt
“Ein fröhliches Herz bringt gute Besserung,
aber ein zerschlagener Geist vertrocknet das Gebein.”Spr. 17, 22; Elberfelder Bibel 1871
Die Wirkung von Hormonen (chemischen Botenstoffen) auf unser Befinden ist kaum zu überschätzen und dies ist heute auch allgemein bekannt und wissenschaftlich gut erforscht.
Unser endokrines System – hauptsächlich Drüsen und Nebendrüsen – regelt über die Hormonproduktion sowohl unzählige Körperfunktionen als auch unsere Stimmungen bis hin zu Charaktereigenschaften.
Die heutige Medizin kennt viele der hormonellen Zusammenhänge und Substanzen. Die Psychologie beschäftigt sich in jüngerer Zeit mit der psychischen Wirkung von Hormonen (Biopsychologie) und macht sie für die therapeutische Praxis nutzbar.
In der tantrischen Tradition ist das hormonelle Geschehen seit jeher als Dreh- und Angelpunkt unserer körperlich-geistig-spirituellen Existenz bekannt, als Schaltstation für die wechselseitigen Beeinflussungsmechanismen zwischen Körper, Geist und Seele, freilich ohne dass einzelne Hormone chemisch analysiert oder benannt worden wären. Im heutigen “westlichen Yoga” wird heute oft übersehen, dass die positive Wirkung von Yogaübungen auf das endokrine Drüsensystem ein zentrales Anliegen im Yoga ist mit dem Ziel, eine positive, ausgeglichene Grundstimmung für Bewusstseinserfahrungen zu schaffen.
Anatomische Aspekte
Das endokrine System ist ein weit verzweigtes Netzwerk aus Haupt- und Nebendrüsen (Schilddrüse, Nebenniere etc.), desweiteren aus Nervengeweben, die in enger Kooperation mit den Hauptdrüsen Botenstoffe austauschen und sich gegenseitig regulieren (bspw. Hypothalamus<->Hypophyse), sowie aus spezialisierten endokrinen Nervenzellen, die in verschiedenen Organen im ganzen Körper verteilt sind (bspw. Magen, Leber, Herz).
Vielerlei äußere bzw. biologische Faktoren beeinflussen den Hormonhaushalt: Tageszeit und Lichtverhältnisse, Ernährung, Bewegung u.v.m. Dies ermöglicht auch eine gezielte eigene Einflussnahme auf den Hormonhaushalt – sofern man weiß, wie dieser sich reguliert.
Lange Zeit nahm man an, dass endokrine Drüsen eine Art Selbstregulation betreiben, um auf veränderte Umgebungsbedingungen zu reagieren. Heute gilt der Hypothalamus, ein Anhang des Zwischenhirns, zusammen mit der benachbarten Hypophyse, der Master-Drüse unseres Organismus, als DAS Steuer- und Kontrollzentrum für die darunter liegenen Drüsenregionen. Es schüttet selbst Hormone aus, die wiederum andere Drüsen regulieren.
“Gerade aber, weil der Gehirnzustand bloß ausdrückt, was der korrespondierende psychologische Zustand an werdender Handlung birgt, sagt der psychologische Zustand über die Handlung mehr aus als der zerebrale.”
Henri Bergson,
französischer Philosoph und Literatur-Nobelpreisträger
Scheinbare Selbstverständlichkeiten: der Einfluss der Psyche
Die Wirkung von Hormonen auf die Psyche wird in der Medizin erforscht und führt bspw. zur Entwicklung von Antidepressiva und Hormontherapie. Doch was ist mit der Wirkung der Psyche auf den Hormonhaushalt – also die umgekehrte Kausalität? Mind over matter, oder vielleicht doch umgekehrt? Tantra löst diesen Konflikt, indem es die Dimensionen der Psyche als weitaus größer oder tiefer betrachtet als die westliche Psychologie. Demnach gibt es tiefere geistige Ebenen, die den Hormonhaushalt wesentlich lenken, was sich wiederum auf die eher äußerlichen, emotionalen Befindlichkeiten auswirkt. Das möchte ich im folgenden erklären.
Kognitive Ereignisse mit großer Wirkung
Ein häufig zitiertes Beispiel für die Wirkungsweise von Hormonen ist der Adrenalinausstoß in Gefahrensituationen. Dieser treibt die körperliche Leistungsfähigkeit binnen Sekundenbruchteilen auf die Spitze und in der freien Natur erhöht dies natürlich die Überlebenschancen. Doch Geist-Körper-Interaktion geschieht tagtäglich auch in völlig unspektakulären Situationen.
Jemand beleidigt dich. Dein Gehirn empfängt die entsprechenden Audio-Signale und ordnet diese entsprechend deiner gespeicherten Erinnerungen (Sprache, Erlebnisse) ein. Möglicherweise platzen nun aufgestauter Ärger und Stress heraus: zunächst wird der Hypothalamus aktiviert, dieser sendet Signale die Hypophyse, diese schickt Hormone zur Nebenniere mit der Anweisung, Adrenalin und Cortisol zu produzieren. Dann kann erstmal ordentlich Dampf abgelassen werden.
Ein anderes Beispiel. Eine positive Nachricht löst Freude aus, die sofort an den Körper weitergeleitet wird. Du hast deine Prüfung bestanden: von nun an schwebst du auf Wolke 7 durch den Tag, obgleich du die Nacht zuvor vielleicht kaum geschlafen hast! Geistige Zustände manifestieren sich eben spontan auch auf körperlicher Ebene – durch Hormonausschüttung. Dies ist das Prinzip mentaler Trainings- und Therapiemethoden: über positive Gedanken Krankheitsverläufe zu beeinflussen und das physisch-psychische Gesamtbefinden zu verbessern.
Die Quellen der Emotion
Doch ist das so selbstverständlich? Ein Gedanke – in diesem Fall der Gedanke an die zu erwartenden Vorteile , die man mit einer bestandenen Prüfung in Verbindung bringt – aktiviert neuronale Netze im Gehirn und löst die Kettenreaktion aus. Jedoch ist die Reaktion alles andere als uniform – der eine nimmt’s gelassen, die andere gereizt, mal überschwenglich, mal aggressiv, mal schüchtern … die Art der Reaktion hängt vom Temperament bzw. den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen ab. Wo im Körper aber werden diese Merkmale erzeugt und gesteuert?
Des Pudels Kern
Während die moderne Biochemie die Zusammensetzung der Hormone wie auch die Abläufe inzwischen recht gut kennt, fehlt ihr für ein stimmiges Gesamtbild ein entscheidendes Element: der mentale Ursprung der Emotion. Es muss noch eine andere Ebene geben, jenseits des Gehirns – eine rein geistige, nicht-molekulare Ebene. An dieser Stelle ist es Zeit über das Thema chakren zu sprechen. Auf dieses Thema gehe ich in einem weiteren Artikel näher ein, hier nur eine Kurzbeschreibung: Chakren sind Plexi im (Energie-) Körper, in denen sich mentale Impulse energetisch manifestieren und von dort auf die physiologischen Strukturen einwirken. Dabei spielen karmische Einflüsse, die im übernächsten Kapitel beschrieben werden, eine entscheidende Rolle.
Ich breche hier unermüdlich eine Lanze nach der anderen dafür, der mentalen Ebene ihre unabhängige Existenz nicht länger abzusprechen. Vielmehr sollten wir sie erforschen, so wie es die alten Tantra-Weisen bereits vor Urzeiten taten: im inneren Labor des individuellen Bewusstseins. Einzelne Lehrstühle für Meditationsforschung sind da ein guter Anfang. Doch das sind nur Tropfen auf den heißen Stein der materialistischen Weltsicht, nach der alles irgendwie molekular greifbar sein muss.
Was ist überhaupt ein Gedanke?
Bei www.dasgehirn.info/aktuell/frage-an-das-gehirn/wie-entsteht-ein-gedanke fand ich die Definition eines Prof. Dr. med. Dr. phil. Henrik Walter, die ich für bemerkenswert halte, da sie über die übliche materialistische Deutung hinausgeht:
“Ein Gedanke ist weniger ein bestimmter neuronaler Zustand im Kopf, sondern ein zeitlich ausgedehnter Prozess, dessen Gehalt über das Gehirn hinausgeht.”
Nach meinem Verständnis der tantrischen Weltsicht entstehen Gedanken zunächst im Schwingungsfeld des Chitta, welches dann das Gehirn aktiviert.
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