Kooperativen schaffen Arbeit für alle.
Wie eine wirtschaftliche Wende von unten gelingen kann.
| September
Im TAGESLICHT Magazin wurde bereits über die baskischen Mondragon-Kooperativen berichtet.
Sie gelten allgemein als best-practice Beispiel der internationalen Kooperativen-Bewegung. Kooperativen bilden ein Kernstück der sozio-ökonomischen Vision PROUT (PROgressive Utilization Theory) nach Prabhat Rainjan Sarkar. Dieser Artikel erläutert etwas allgemeiner, was Kooperativen überhaupt ausmacht und worin ihr Potenzial für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem liegt.
Was sind Kooperativen?
Kooperativen sind kleine und mittelgroße Unternehmen, bei denen die Mitglieder zugleich die Besitzer sind. Anstelle einer starren Hierarchie gibt es in Kooperativen eine demokratische Ordnung nach dem Prinzip „Ein Mitglied – eine Stimme“. Geleitet werden Kooperativen durch demokratisch gewählte Mitglieder der Kooperative. Die Mitglieder einer Kooperative sind also mit ihrem Besitz und ihrer Partizipation direkt in das Unternehmensgeschehen involviert.
Mitglieder können dabei – je nach Art der Kooperative – Angestellte und Produzenten, aber auch Kunden sein.
Statt einer Profitorientierung, die den Unternehmensertrag an die erste Stelle setzen, basiert das Kooperativenmodell auf den Bedürfnissen ihrer Mitglieder.
Ein zentraler Wert ist etwa die langfristige Arbeitsplatzsicherheit. Im Kooperativensystem werden während Krisenzeiten – im Gegensatz zu privaten Unternehmen – nicht sofort Arbeitsplätze abgebaut. Gehälter werden stattdessen als Fixkosten betrachtet, Entlassungen finden wesentlich seltener statt.
Die Werte der Kooperativen fußen zudem auf den UN-Nachhaltigkeitszielen, zu denen sich die International Cooperative Alliance bekennt.[i]
Wie sieht eine Wirtschaft der Kooperativen aus?
Die Kooperativenbewegung hat bereits eine Geschichte von etwa 150 Jahren. Es ist wichtig zu verstehen, dass schon jetzt die Kooperativen bereits eine wichtige Rolle in der weltweiten Wirtschaft spielen. Der Trend verstärkt sich seit dem Jahr 2000 zudem, da sich Kooperativen als krisenfester als private oder öffentliche Unternehmen erweisen.
Laut der International Cooperative Alliance sind eine Milliarde Menschen weltweit Mitglied einer Kooperative. Die Anzahl der Kooperativen wird auf 3 Millionen geschätzt.[ii] 100 Millionen Menschen sind in Kooperativen angestellt, 20% mehr als in multinationalen Unternehmen.[iii]
In Deutschland werden Kooperativen häufig mit dem Namen „Genossenschaften“ bezeichnet. Die Rechtsform eG (eingetragene Genossenschaft) weist allerdings die oben erwähnte demokratische Grundstruktur der Kooperativen auf.[iv]
Der deutsche Genossenschaftsverband betreut etwa 2600 Mitgliedsunternehmen mit insgesamt 8 Millionen Mitgliedern.[v]
Krisen scheinen die Gründung von Genossenschaften zu beschleunigen. Wo andere Wirtschaftssysteme gescheitert sind, gedeihen genossenschaftliche Initiativen.
In Nordsyrien etwa blüht seit einigen Jahren die Gründung neuer Kooperativen – mit positiven Effekten auf demokratische Partizipation und Lebensmittelpreise.[vi]
Auch in der Coronazeit wurde die Gründung von Kooperativen beschleunigt. Mit dem Digitalisierungsschub entstand 2020 etwa die Initiative „Platform Cooperatives Germany“, die kooperative Unternehmen im digitalen Raum fördert.[vii]
Prabhat Ranjan Sarkar hat in seiner 1959 vorgestellten Theorie PROUT das Potenzial der Kooperativen sehr klar festgestellt. In einem Wirtschaftssystem nach PROUT werden alle essentiellen Güter sowie einige semi-essentielle Güter von Kooperativen produziert. Essentielle Güter sind Nahrung, Kleidung, Bildungsmaterialien, Medizin und Wohnungen, während zum Beispiel verschiedene Haushaltsgeräte, elektronische Geräte etc. als semi-essentielle Güter gelten.
Neben Kooperativen würde es weiterhin kleine private Unternehmen geben, die allerdings lediglich Luxusgüter und einige semi-essentielle Güter produzieren.
Solche kleinen privaten Unternehmen sind etwa in den Händen von Individuen, Familien oder kleinen Partnerschaften. [viii]
Branchen, die zu groß oder zu komplex sind um eine Kooperative zu bilden sollten nach PROUT von unabhängigen Unternehmen unter der Verantwortung der lokalen oder föderalen Regierung verwaltet werden.[ix]
Entsprechende Branchen sind etwa Telekommunikation, Transport, Energie, etc. Diese Branchen brauchen große Investitionen und sind schwer zu dezentralisieren.
Dennoch sollte das Management dieser Unternehmen in den Händen der allgemeinen Bevölkerung sein anstelle von Regierungsangestellten.
Was sind die Vorteile von Kooperativen?
Sicherlich lässt sich hiermit schon das enorme Potenzial der Kooperativen erahnen. Immerhin bilden sie die Hauptunternehmensform in einer proutistischen Gesellschaft.
Einige Vorteile einer Kooperativenwirtschaft sollen hier noch einmal besonders beleuchtet werden:
Kooperativen ermöglichen eine Revolution von unten.
Eines der schönsten Aspekte an Kooperativen: Jeder und Jede kann überall und sofort eine gründen. Die Veränderung für eine neue Wirtschaft wird damit wesentlich von der Initiative auf lokaler Ebene beeinflusst.
Kooperativen schaffen sichere Arbeitsplätze für alle.
Arbeit für alle ist in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem utopisch. Doch mit einem kooperativen Wirtschaftssystem wird das möglich. Arbeitslose können sich zusammenschließen, um eine Kooperative zu starten und sich selbst zu beschäftigen.
Kooperativen können Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise stabil halten.
In einer Kooperative, in der lokale Verkäufer und Kunden dieselbe Personengruppe bilden, ist es im Interesse aller, die Preise auf einem stabilen Niveau zu halten. Die lokale Kooperativenstruktur ist weitaus weniger anfällig für internationale Phänomene wie Spekulationsblasen, Inflation oder unfaire Preissteigerungen durch Monopole.
Kooperativen ermöglichen ein höheres Commitment und größere Arbeitszufriedenheit.
Die Identifizierung mit einer Kooperative übersteigt das der meisten privaten Unternehmen bei weitem. Das geschlossene System, das keine fremden Shareholder oder Manager und damit keinen Einfluss von außen zulässt, erhöht die Selbstbestimmtheit der Arbeiter wesentlich. Die partizipatorische Mitbestimmung und der gemeinschaftliche Besitz schaffen ein Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit – ein unschätzbares Gut für Motivation und Zufriedenheit am Arbeitsplatz.
Kooperativen ermöglichen eine fairere Verteilung von Reichtum.
Die Differenz von Spitzengehältern zu Angestelltengehältern im kapitalistischen System wird eliminiert. Kooperativen bezahlen entweder alle ihre Angestellten gleich oder nach einem festen Verhältnis zwischen niedrigstem und Spitzengehalt.
Kooperativen unterstützen die lokale Wirtschaft.
Kooperativen sind ein starker Motor für die lokale Entwicklung. Da keine internationalen Shareholder Profite durch Dividenden erzielen, bleibt der Gewinn der Kooperativen im lokalen Wirtschaftskreislauf. Die Dividenden werden allenfalls unter den Mitgliedern verteilt, welche allerdings in der lokalen Gemeinschaft leben.
Ansonsten kann der Gewinn in die Kooperative reinvestiert werden oder in die Unterstützung lokaler Initiativen fließen.[x]
Quellen:
[i] https://www.coopgo.de/
[ii] https://www.ica.coop/en/about-us/international-cooperative-alliance
[iii] https://www.genossenschaften.de/genossenschaften-weltweit
[iv] https://www.genossenschaftsverband.de/genossenschaft-gruenden/genossenschaft-als-rechtsform/
[v] https://www.genossenschaftsverband.de/newsroom/presse/pressemitteilungen/megatrend-studie-aufbruch-in-die-wir-oekonomie-mit-genossenschaften/
[vi] https://www.genonachrichten.de/2018/05/08/nordsyriens-kooperativen-schiessen-wie-pilze-aus-dem-boden-alternative-zum-kapitalismus/
[vii] https://platformcoop.de/
[viii] P.R. Sarkar: Problems of the Day, Kapitel 11.
[ix] Ebd.
[x] https://cooperativesfirst.com/blog/2017/09/11/2017911how-co-operatives-are-better-than-corporations/
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