Vom Verbrecher zum Yogi
Heute ist Shravanii Purnima, der Vollmond im indischen Monat Shravan.
Dieser Tag hat eine besondere historische Bedeutung. Denn an diesem Tag vor 84 Jahren, im Jahre 1939, wies der spirituelle Meister Shrii Shrii Anandamurti seinen ersten Schüler ein, noch lange bevor er mit Ananda Marga eine organisierte sozio-spirituelle Mission erschuf.
Ich möchte daher eine Geschichte erzählen. Sie ist ebenso wahr wie bemerkenswert.
In seiner Zeit als Student in Kalkutta hatte Prabhat [der bürgerliche Vorname von Shrii Shrii Anandamurti] die Gewohnheit, lange Abendspaziergänge zu unternehmen. Er lief oft am Ufer des Ganges, auf einer Route an Einäscherungsgeländen vorbei, in einer einsamen Gegend, die von den meisten Leuten gemieden wurde und von der es hieß, dass sie besonders nach Einbruch der Dämmerung nicht sicher sei.
Am Abend des Vollmonds im Monat Shravan führte Prabhat sein Weg zu Kashimitra, einem Einäscherungsgelände. Der Mond leuchtete ihm den Weg über das Gelände zum Flussufer, wo Prabhat anhielt und sich setzte.
Nach einer kurzen Weile hörte er Schritte hinter sich. Ohne sich umzudrehen, bat Prabhat seinen Besucher, sich zu setzen. Anstatt sich zu setzen, zückte dieser einen großen Dolch und forderte ihn auf, sein Geld und seine Wertsachen zu übergeben, ansonsten würde er seinem Leben ein Ende bereiten.
“Bist du knapp bei Kasse?” fragte Prabhat ihn, unbeeindruckt von dem Dolch, der im Mondlicht schimmerte, einige Handbreit von seinem Gesicht entfernt. Als der überraschte Räuber seine Drohung wiederholte, fragte Prabhat ihn im gleichsam furchtlosen Ton: “Du hast es dir also zur Gewohnheit gemacht, Leute auszurauben, selbst wehrlose Studenten?” Und fuhr fort: “Ich werde dir mein Geld geben, keine Sorge, aber ich habe dir etwas viel Wertvolleres anzubieten. Möchtest du nicht wissen, was das ist?”
Der Dieb begann, sich allmählich entnervt von der unheimlichen Ruhe und dem seltsamen Lächeln des schmalen Teenagers ihm gegenüber zu fühlen. Nach einem Moment des Zögerns bat er ihn ihm zu sagen, was er meinte.
“Sag mir zunächst eine Sache”, sagte Prabhat, “Wenn deine materiellen Bedürfnisse erfüllt wären, würdest du weiterhin stehlen?”
Der Dieb, dessen Name Kalicharan Banerjee war, zögerte wiederum und antworte dann, dass wenn es ihm möglich wäre, er gerne mit dem Stehlen aufhören würde.
“Gut”, sagte Prabhat, “Wenn du nun das möchtest, was ich ich dir geben kann, dann wird dein Messer weg. Geh zum Fluss und nimm ein Bad. Wenn du fertig bist, komm zurück und setze dich hier zu mir. Ich werde warten.”
Kalicharan fühlte plötzlich eine Welle der Demut angesichts dieses Jungen. Tränen kamen in seine Augen. Er ging also zum Fluss, warf den Dolch ins Wasser und wusch sich. Als er zurückkehrte und sich setzte, wies Prabhat ihn in Tantrische Meditation ein und nahm ihn damit als seinen ersten Schüler an.
Kalicharan konnte seine Tränen kaum zurückhalten. Er gelobte, sein verbrecherisches Leben aufzugeben und hörte aufmerksam Prabhats Anweisungen zu, wie er sein Leben führen solle. Prabhat sagte zu ihm: “Von heute an beginnst du ein neues Leben. Der alte Kalicharan existiert nicht mehr.”
Ebenjener Kalicharan lernte später von Prabhat Kapalika Meditation [eine fortgeschrittene Tantrische Meditationstechnik] und erhielt den monastischen Namen Kalikananda. Prabhat ließ ihn versprechen, mit derselben Energie, die er einst für das Stehlen aufgewendet hatte, der Schöpfung zu dienen.
Diese Geschichte ist entnommen aus der Biographie “Anandamurti – the Jamalpur Years” von Devashish Acosta. Sie ist dort im englischen Original nachlesbar.
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