Dharmendra Dominik Laur | Mai 12, 2021
Von den Mächtigen lernen – Wandergedanken #3
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Es ist schon etwas her, seitdem ich den dazu kam, einen Beitrag für mein kleines Wandertagebuch zu verfassen. Gerade als sich eine Art Rhythmus einpendelte und ich mich darauf eingestellt hatte, dass ich am Morgen eine, vielleicht zwei Stunden zu Schreiben habe, gab es unerwartete Veränderungen. Wie überraschend.
Sergej, unser Hauptorganisator für alle Notwendigkeiten – wie das zuverlässige Auffinden von Routen, die Koordination zwischen Wanderern und Wohnmobilen und die Versorgung mit Wasser und Nahrung – hatte am Samstag einen Stellplatz gefunden, an dem uns die Nachbarn so herzlich empfingen, dass wir dort zwei Nächte blieben und sogar ein spannendes Interview mit Anja, unserer Gastgeberin, führten.
Das alles war sehr wertvoll, doch der Rhythmus kam ins Wanken. Nun sind wir seit ein Paar Tagen wieder unterwegs durch das wirklich idyllische Vogtland. Hier schlängeln sich kleine Flüsse entlang durch die hügelige Landschaft, vorbei an steilen Kliffen und beinahe urzeitlichen Wäldern. Inmitten des Vogtlandes liegt Greiz. Eine Stadt, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient, und das nicht nur, weil dort ganz in der Nähe die größte Ziegelsteinbrücke der Welt zu finden ist.
Von Greiz aus wanderten wir gestern weiter Südwärts in Richtung unseres eigentlichen Ziels: Berlin. Auf dem Weg sprachen Mithja, einer der sehr talentierten Filmemacher aus Kais Team, und ich darüber ob Ausdrücke wie “Schlafschafe” oder “Aufgewachte” hilfreich sind oder ob wir sie lieber vermeiden sollten, beziehungsweise was sie im allgemeinen eigentlich bewirken.
Man kann sicherlich sagen, dass Wertungen und Pauschalisierungen dieser Art meistens grob und auch nicht ganz korrekt sind. Niemand ist nur “Schlafschaf” und auch Keiner hat bei allem den vollen Durchblick. Solche Begriffe reduzieren komplexe Individuen herunter auf simple Sprachbilder, die ihnen in den seltensten Fällen – wahrscheinlich sogar nie – gerecht werden. Dennoch sind sie recht weit verbreitet und auch dafür muss es Gründe geben, die vielleicht nicht nur negativ sind.
Pauschalisierungen und ähnliche Ausrücke können als eine Art Kommunikationscode verstanden werden, der die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe signalisiert. So wie sich Jugendliche durch ihre eigene Sprache und ihrer Art miteinander umzugehen von der Welt ihrer Eltern abgrenzen und eine Gemeinschaft bilden, helfen auch übermässige Vereinfachungen dabei den Zusammenhalt von Gruppen zu stärken und eine klare Grenze zwischen ihnen und der Gesellschaft zu ziehen.
Nun meinen verständlicherweise viele, dass das genau ein weiteres Problem ist, und das stimmt auch – zum Teil. Gesellschaftliche Grenzen zu ziehen bedeutet ja nun nichts anderes, als die Gesellschaft zu spalten und darin liegt Wiederrum ein großes, vielleicht das größte, Hindernis zur Abwehr des gegenwärtigen Angriffes auf unsere Freiheit.
Und das stimmt, die zunehmende Spaltung drückt sich auch in Pauschalisierungen und ähnlichem aus, doch verursacht wird sie durch etwas Anderes: Sie wird geschaffen, und zwar von oben. Mit viel Geld, Macht und unter großer Anstrengung wird systematisch ein Keil zwischen uns getrieben. Diese Bestrebungen haben eine Wirkung und diese Wirkung besteht unter Anderem in der Formierung abgrenzend wirkender Sprachbilder.
Sie sind eine Reaktion, eine Reaktion derjenigen, die sich gegen die Machenschaften des Systems wehren. Das System agiert höchst aggressiv. Eine gewisse Aggressivität in der Reaktion ist daher natürlich und auch angebracht.
Darüber hinaus müssen wir die Realität nüchtern betrachten und von unseren Beobachtungen ausgehend wirksame Strategien zur Befreiung der Gesellschaft erarbeiten. Die Mächtigen gehen genau so vor. Von der Armee an Wissenschaftlern auf ihrer Gehaltsliste wissen sie genau, wie groß der Bevölkerungsanteil ist, der für weniger subtile und stark vereinfachende Sprachbilder affin ist – und er ist groß.
Frühere Kulturen haben sich ebenfalls mit solchen Fragestellungen beschäftigt und sind auf ähnliche Ergebnisse gestoßen. Ihre Erkenntnisse waren zwar nicht von Unmengen an statistischen Daten abgesichert, die von riesigen Supercomputern bis zum äussersten ausgewrungen werden, um ihnen jeden Tropfen wertvoller Einsichten zu entlocken, doch weniger richtig waren sie dennoch nicht.
Nach der uralten Philosophie der Yogis gibt es vier gesellschaftliche Grundtypen. Jeder dieser Grundtypen folgt bestimmten psychologischen Grundmustern mehr als Anderen. Die vier Grundtypen lauten: Arbeiter, Krieger, Intellektueller und Händler. Diese Grundtypen sind nicht starr und der Grundtyp einer Person kann sich, getrieben von äusseren Umständen oder durch eigene Anstrengung, wandeln. Auch besitzt jeder Mensch mehr oder weniger Qualitäten jedes Grundtypen.
Es geht also nicht darum, zu pauschalisieren sondern darum, zu versuchen, die Realität mit Hilfe eines Gedankenmodells besser zu verstehen. Wie jedes Modell hat es seine Grenzen.
Meine morgendliche Zeit wird leider schon wieder etwas knapp. Heute regnet es unablässig und unsere Wandergruppe freut sich, wenn ich gleich pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt aufbreche. Daher begrenze ich mich im Folgenden auf die Gruppe der Arbeiter.
Arbeiter zeichnen sich dadurch aus, dass die bereit sind, etwas zu leisten und dass sie ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen wollen. Sie wollen jedoch weniger gerne in Führungsverantwortung kommen und freuen sich darüber, wenn sie Aufgaben zugewiesen bekommen, die ihren wünschen entsprechen und die es ihnen ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Sie sehnen sich nach einem möglichst sicheren Auskommen und wollen gerne viel Zeit mit Freunden, Familie, persönlichen Hobbys und ähnlichem verbringen. Diese psychologische Grundtyp bietet, wie die anderen drei auch, viele Vorteile. Er macht jedoch auch ein wenig anfällig für eine gewisse Folgsamkeit gegenüber demjenigen, der die meiste Sicherheit verspricht.
Im Zweifel kann das bedeuten, jemandem zu Folgen, bei dem es unangenehm wird, wenn man es nicht tut. Zum Beispiel im Falle klassischer Schutzgelderpressung der Mafia oder auch in einem System, das Repressalien gegen Abweichler einführt – wie den Entzug bestimmter Freiheiten bei Verweigerung einer Impfung oder auch soziale Ächtung, zum Beispiel.
Soziale Ächtung ist ein besonders wirksames Mittel. Wir Menschen sind soziale Wesen. Evolutionär gesehen brauchen wir den Schutz der Gruppe, alleine können wir kaum überleben. Unsere archaischen Schaltkreise verbinden soziale Ächtung mit der Angst ums nackte überleben. Das ist ein Grund, weshalb die Androhung von Ausgrenzung so effektiv wirkt.
Der psychologische Grundtyp des Arbeiters neigt dazu, manches nicht zu hinterfragen um sich keine Schwierigkeiten einzuhandeln. Er ist empfänglicher für Pauschalisierungen und übermäßige Vereinfachungen. Und er stellt die größte Bevölkerungsgruppe.
Erzeugt – also von den Massenmedien gemacht – wird Angst vor Ausgrenzung häufig durch die Erschaffung von Feindbildern wie dem “Corona-Leugner” oder auch dem Klassiker “Verschwörungstheoretiker”, die es dann zu ächten gilt. Hier finden wir sie wieder, Pauschalisierungen und übervereinfachte Wertungen. Die Mächtigen nutzen diese Mittel unentwegt um ihre Agenda durchzusetzen. Man mag sich darüber wundern, dass das so einfach funktioniert oder der Meinung sein, dass es anders sein müsste, doch wir kommen nicht umher, anzuerkennen, dass es funktioniert und es funktioniert, weil ein Großteil der Bevölkerung psychologisch Schwerpunktsmässig dem Grundtyp des Arbeiters entspricht.
Aus diesen Erkenntnissen, die man unterschiedlich bewerten kann, können wir jedoch lernen, wie die Freiheitsbewegung einen Großteil der Bevölkerung effektiv ansprechen kann. Pauschalisierungen und übermässig vereinfachte Bilder haben ihren Platz, sie sind jedoch mit Vorsicht anzuwenden.
Sie sollten beispielsweise nicht eine Gruppe erniedrigen um eine andere zu erheben, von ihrem Wesen her also nicht negativ sein – sondern besser positiv. “Erwachte” oder “Aufgewachte” ist demnach dem Begriff der “Schlafschafe” vorzuziehen. So konzentriert man sich auf diejenigen, die dazu gehören statt diejenigen, die es nicht tun. Man schließt ein, statt auszugrenzen.
Nun schwingt bei dem Begriff “Erwachte” eine gewisse Überheblichkeit mit. Besser wäre vielleicht etwas wie “Corona-Versteher”. Es entspricht den Tatsachen noch besser und hat ansonsten eine sehr ähnliche Wirkung wie von “Erwachten” zu sprechen.
Nun habe ich meine Zeit schon zu weit überdehnt und muss wirklich los.
Zusammenfassend können wir sagen, dass Pauschalisierungen und übermässig stark vereinfachte Wertungen zwar etwas eher grobes sind, dass sie jedoch ihren Platz haben und unserem Kurs nutzen können. Wie wir diese Dinge möglichst effektiv nutzen können, können wir von den Mächtigen lernen und besser machen. Besser, indem wir sie möglichst wohlwollend gegenüber allen, auch der Gegenseite und ihren Anhängern, anwenden.
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