Wahrhaft soziale Massenmedien
Von Dominik Laur | 13.12.2018
Weshalb wir unabhängige, soziale Medien brauchen und wie wir sie bekommen können.
Soziale Medien befinden sich seit ihrem Aufkommen vor etwa 10 Jahren unentwegt auf Wachstumskurs.
Alleine der unangefochtene Platzhirsch Facebook zählt jeden Monat über 2 Milliarden Nutzer weltweit. Im globalen Durchschnitt verbringt ein Nutzer über 2 Stunden täglich in sozialen Netzwerken, Tendenz steigend.
Während es in den Anfangsjahren von Facebook und Co vor allem um das Teilen meist harmloser, persönlicher Inhalte wie Urlaubsfotos oder erhellender Videos ging, werden soziale Netze nun immer mehr als legitime Nachrichtenquelle wahrgenommen.
Dieser Trend ist derart ausgeprägt, dass ein global agierendes Marktforschungsunternehmen im November bereits von einem “Paradigmenwechsel in der generellen Nutzung sozialer Medien” sprach.
Undurchsichtige Abläufe
Soziale Medien bieten als Orte der Informationsverbreitung viele Vorteile. So können beispielsweise auch kleine Anbieter dadurch, dass ihre Inhalte geteilt werden, schnell große Aufmerksamkeit erhalten. Und diese Beiträge können dann wiederum umgehend kommentiert und so mit unterstützenden Informationen untermauert oder aber mit gegenteiligen Informationen entkräftet werden.
Neben diese und weitere Vorteile gesellen sich jedoch auch eine Reihe von Problemen.
So wurden im vergangenen Oktober über 800 regierungskritische Portale mit teils vielen Millionen Anhängern aufgrund fragwürdiger und nicht überprüfbarer Vorwände von Facebook gebannt.
Unabhängig davon, wie man zu den Inhalten der betroffenen Portale stehen mag, drängt sich die Frage auf, wie gesund es für eine Gesellschaft ist, wenn ein privater Konzern und quasi Monopolist darüber verfügt, wer Informationen verbreiten darf – und wer nicht.
Doch dies ist nur die Spitze des Eisberges. Stand 2016 sind allein in Deutschland täglich etwa 600 Mitarbeiter einer Tochterfirma des mächtigen Bertelsmann Verlages damit beschäftigt, Inhalte auf Facebook zu löschen, die nach Auffassung von Facebook nicht durch die freie Meinungsäusserung geschützt werden. Darunter fällt auch das Löschen sogenannter “Hasskommentare”. Was ein Hasskommentar ist, definiert Facebook.
An dieser Stelle soll betont werden, dass es Inhalte gibt deren Erstellung und/oder Verbreitung großes Leid verursacht und daher unterbunden werden sollte.
Doch dies zu bestimmen ist nicht die Aufgabe eines privaten Konzerns, sondern der Allgemeinheit in Form des Bundestages. Straftatbestände wie Verleumdung existieren bereits und wo die existierenden Gesetze nicht ausreichen, um den zwischenmenschlichen Umgang auf den sozialen Medien zu regulieren, sollten neue Regulierungen geschaffen werden.
Neben der Löschung von Profilen und einzelnen Beiträgen aus undurchsichtigen Gründen ist auch die Art und Weise wie Facebook auswählt wem, wann, welche Inhalte präsentiert werden, nebulös.
Niemand kann genau nachvollziehen, weshalb der Algorithmus im Herzen des sozialen Medienriesen einen Inhalt für besonders präsentierenswert hält und ihn dadurch viele Menschen zu Gesicht bekommen, oder eben nicht.
Dies ermöglicht eine besonders perfide Form der Zensur: Das sogenannte “Schattenbannen”. Dabei würde ein veröffentlichter Beitrag optisch völlig unauffällig erscheinen, im Hintergrund würde Facebook jedoch dafür sorgen, dass er so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erhält, ohne dass es verdächtig wirkt.
Der Fairness halber sei erwähnt, dass diese Mechanismen auf gleiche oder ähnliche Weise auch von allen sozialen Netzwerken wie Twitter oder YouTube eingesetzt werden könnten.
Halten wir fest:
Facebook im Speziellen und soziale Medien im Allgemeinen gewinnen als Informationsquellen immer größere Bedeutung.
Dadurch wird ihnen große Macht zuteil. Diese Macht können sie derzeit unreguliert und beinahe nach Belieben einsetzen. Das birgt eine große Gefahr zur Manipulation und zur Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Noch haben sich diese düsteren Prophezeiungen nicht materialisiert, aber es gibt bereits deutliche Anzeichen für eine Negativentwicklung.
Neue soziale Massenmedien
Doch wie können wir da gegensteuern? Die Schaffung neuer Gesetze kann Gutes bewirken, wird aber alleine nicht ausreichen, weil das Problems im System der Privatwirtschaft liegt.
Solange die Privatwirtschaft das Rückgrat unserer Gesellschaft bildet, werden die größten und einflussreichsten Organisationen im gesellschaftlichen Geflecht nur von einer Hand von Anteilseignern gelenkt. Sie entziehen sich der öffentlichen Kontrolle fast vollständig.
Eine neue, menschliche Gemeinwohlwirtschaft würde dieses Problem überwinden, indem sie auf Kooperativen und Genossenschaften als zentrale Pfeiler der wirtschaftlichen Ordnung setzt.
Damit würden viele Menschen Anteilseigner ihrer Unternehmen sein und bekämen so ein Mitspracherecht über deren Kurs.
Bevor wir aber zu sehr ins Schwelgen geraten und uns in so radikale Ideen verlieben, wie etwa die Wirtschaft zu demokratisieren, stellen wir lieber noch ein paar Ideen dazu an, was innerhalb des bestehenden Systems umsetzbar wäre.
Jedes Jahr werden in der Bundesrepublik Rundfunkgebühren in Höhe von etwa 8 Mrd. € gesammelt.
Ein Teil dieses Budgets könnte in ein öffentlich-rechtlichen, sozialen Massenmediums gestecken.
Dieses sollte völlig frei von politischen Einflüssen sein und unter der Leitung eines unabhängigen Fachrates stehen.
Des Weiteren sollte das ganze quelloffen (engl. Open Source) entwickelt werden. Jeder sollte also vollen Zugriff auf den gesamten Programmcode haben, sodass Interessierte nachvollziehen können, wie das soziale Netzwerk funktioniert. Gleichzeitig könnten Entwickler auf der ganzen Welt ihre Ideen beisteuern und an deren Umsetzung mitarbeiten.
Um die Manipulation eines solchen Netzwerkes nochmal deutlich zu erschweren, sollte es grundlegend dezentral aufgebaut sein, wie das Internet selbst.
Anstatt die Kommunikation zwischen zwei Endpunkten über einen “Mittelsmann Rechner” laufen zu lassen (wie bei Facebook), wird dann eine direkte Verbindung zwischen den Computern der einzelnen Nutzer hergestellt. Diese kommunizieren dann direkt miteinander.
Eine Manipulation würde so nahezu unmöglich. Das ist ein maßgebliches Element des Erfolges des Internets und neuerdings auch von Bitcoin.
Bereits heute gibt es viele Projekte dezentralisierter Anwendungen. Ein Beispiel eines dezentralen, sozialen Netzwerkes heißt Mastodon.
Die Entwicklung solch eines quelloffenen, dezentralisierten, sozialen Netzwerkes benötigt viel Wissen und Erfindergeist. Das Projekt könnte zur Stärkung des IT-Standortes Deutschland beitragen.
So könnte die Erschaffung eines wahrhaft sozialen Massenmediums aussehen.
Quellen:
1 https://blog.globalwebindex.com/trends/social-media-for-news-updates/
2 https://www.theguardian.com/technology/2018/oct/16/facebook-political-activism-pages-inauthentic-behavior-censorship
3 https://www.sueddeutsche.de/digital/exklusive-sz-magazin-recherche-inside-facebook-1.3297138
4 http://www.mastodon.social