Dharmendra Dominik Laur | Mai 4, 2021
Was ist Karma und was macht Wandern damit?
Beitrag downloaden oder anhören: Was ist Karma und was macht Wandern damit? – Wandergedanken#2
Mittlerweile liegt die dritte Etappe hinter uns. Der erste Abschnitt, den Kai gemeinsam mit Dada absolvierte, führte noch an malerischen Isar Auen entlang.
Etwa zur Mittagszeit trafen wir uns dann und Kai und ich begaben uns auf den Weg der zweiten Teiletappe, die auch gleichzeitig die erste bergige Etappe werden sollte. Sie führte uns fort vom Flusslauf der Isar und hinauf durch dicht bewachsene Wälder im Wechsel mit sanft geschwungenen Weidelandschaften. Die Rapsfelder stehen gerade in Blüte, was der Landschaft hier und dort ein goldgelbes Antlitz verleiht.
Trotz hier und da auftretender Wehwehchen ist ein solcher Naturtrip zweifelsfrei Balsam für die Seele. Die Natur ist friedlich und die Menschen, denen wir begegnen, freundlich. Da fällt es mir sehr leicht, in eine positive Stimmung zu gelangen. Doch hat das ganze auch einen Wert, der über die Steigerung des eigenen, momentanen Wohlbefindens hinausgeht?
Dazu möchte ich eine Frage aufgreifen, die Kai Dada gestern während des allabendlichen, philosophischen Gesprächs stellte: Was ist Karma und wirkt sich eine Aktion, wie die unsere, darauf aus?
Karma bedeutet übersetzt selbst Handlung oder Aktion und unter dem breiteren Begriff versteht man die Wissenschaft für Handlungen und ihren Wirkungen, auch Reaktion genannt.
Jede Handlung zeichnet sich in ihrem Kern durch Bewegung aus. Wo immer Handlungen stattfinden, verursachen sie Bewegungen und diese Bewegungen machen bestimmte Gegenbewegungen notwendig. Dazu gleich mehr.
Vollführen wir nun eine Handlung wie das Gehen, sind vielfältige innere und äussere Bewegungen damit verbunden. Unser Herzschlag passt seine Frequenz an, ebenso wie unsere Atmung. Unser Bewegungsapparat kontrahiert und expandiert im Wechselspiel vielfältige Muskeln um unseren Körper aufrecht zu halten und voranschreiten zu lassen.
All diese mechanischen Bewegungen bringen unseren mechanischen Apparat – unseren Körper – langsam aus dem Gleichgewicht. Das bemerken wir unter Anderem daran, dass wir beginnen uns erschöpft zu fühlen. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, müssen wir uns ausruhen.
Das ist die nötige Gegenbewegung, die Reaktion auf unsere Aktion. Nun mag es paradox erscheinen, dass Ruhen nun als Bewegung gelten soll, zeichnet sich die Ruhe doch gerade durch die Abwesenheit von Bewegung aus. Aber stimmt das?
Während wir ruhen vollführt unser Körper eine ganze Reihe von Aktivitäten, die wir oft nicht so intensiv wahrnehmen wie die vorangegangene Bewegung. Doch Bewegung ist gewiss ein elementarer Bestandteil von Ruhe. Unsere Energiereserven müssen aufgefüllt, kleine Risse in unseren Muskelfasern müssen geflickt und etwaige Verletzungen wir Blasen an den Füßen müssen repariert werden. Von Stillstand kann während der Ruhe also sicher keine Rede sein.
Wir sehen also, in der physischen Welt führt jede Bewegung zu einem Ungleichgewicht, das durch eine entsprechende Gegenbewegung beseitigt werden muss. Andernfalls wäre der Zusammenhalt der gesamten physischen Struktur – biologisch oder nicht – bedroht. Bei unbelebter Materie finden wir das selbe Prinzip. Als drittes der drei berühmten, Newtonschen Prinzipien ist es eine entscheidende Grundlage moderner Physik.
Kommen wir zurück zum Wandern. Dabei finden nicht nur physische, nicht nur mechanische Bewegungen statt. Mindestens ebenso gerät unser Geist in Bewegung. Gar in verschiedene und vielfältige Bewegungen.
Während wir beständig einen Fuß vor den Anderen tun, haben wir viele Gedanken und erleben verschiedene Emotionen. All diese inneren Bewegungen verknüpfen wir dann in Form von Erinnerungen mit den Geschehnissen um uns herum. Wir stellen einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen unseren Erlebnissen in der Aussenwelt und unseren inneren Bewegungen her und halten die ersteren für die Ursachen der letzteren.
Löst der Anblick eines goldenen Rapsfeldes eine angenehme, innere Bewegung aus, so speichern wir eine Erinnerung: Goldenes Rapsfeld ist angenehm. Diese Erinnerung wird dann zu einer Erwartung und damit zu einer potentiellen Reaktion. Diese Erwartung ist eine geistige Verzerrung, ein Ungleichgewicht, dass durch eine entsprechende Gegenbewegung aufgehoben werden muss, um unseren Geist wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.
Viel häufiger als in der physischen Welt finden die Reaktionen in der geistigen Welt zeitversetzt statt. Solange, bis wir das nächste, im Lichte der Abendsonne golden strahlende Rapsfeld erblicken, kann sich die entsprechende Reaktion nicht manifestieren und liegt als potentielle, als mögliche Reaktion vor.
Sobald wir nun ein entsprechendes Rapsfeld erblicken, werden die gleichen oder ähnliche Emotionen oder innere Bewegungen ausgelöst wie beim ersten mal, jedoch etwas weniger intensiv.
Daran erkennen wir, dass es sich bei der Annahme, das Rapsfeld oder irgendeine andere äussere Begebenheit sei der Grund für die angenehmen Gefühle, die wir mit der entsprechenden Sache in Verbindung bringen, um einen Fehler handelt. Wir empfinden nicht den Anblick des Feldes als angenehm, sondern die Ausschüttung von Hormonen und die Entspannung der Nerven, die im selben Moment stattfindet.
Anders ausgedrückt kommt das angenehme Gefühl von uns und nicht von Aussen. In diesem Trugschluss liegt die eigentliche geistige Verzerrung, die eigentliche geistige Unausgeglichenheit, die es auszugleichen gilt.
Der Ausgleich findet statt, indem wir in ähnlichen Situationen immer wieder ähnliche Bewegungen durchleben, jedoch jedes mal ein bisschen weniger intensiv, bis wir dann jedes Interesse an der entsprechenden äusseren Begebenheit verlieren und sie nicht länger in der Lage ist, uns in den gewünschten, freudigen Zustand zu versetzen.
Dann haben wir die geistige Reaktion durchlaufen und einen Teil unsres Geistes ins Gleichgewicht versetzt. Ein Ziel spiritueller Praktiken ist es nun, all diese Reaktionen zu durchlaufen und dabei keine neuen Verzerrungen mehr anzuhäufen.
Gerne würde ich darauf noch näher eingehen, doch Kai und Dada warten bald am vereinbarten Zielpunkt und ich bin bereits jetzt schon spät dran.
Ach ja, beim Laufen selbst erzeugen wir also eine Menge Karma, eine Menge guter und angenehmer Reaktionen. Das ist schlechten und unangenehmen Reaktionen sicher vorzuziehen und eine gute Sache. Um den Kreislauf von Aktion und Reaktion zu durchbrechen, ist jedoch noch etwas mehr nötig. Dazu vielleicht ein anders mal mehr.
Bis bald!
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