Was wir Menschen von den Bäumen im Wald lernen können
Holger Rohde | 24.11.2019
Die Bäume und der Wald sind ein Wunderwerk der Natur, von dem wir Menschen so viel lernen können.
Vor knapp 400 Millionen Jahren entwickelten sich auf unserer Erde die ersten Bäume. Diese unvorstellbar lange Zeit leben sie nun schon auf diesem Planeten.
Erst vor ca. vier bis fünf Millionen Jahren haben erste Wesen die Erde besiedelt, aus denen wir Menschen uns entwickelt haben. Der Wald war schon damals ein kostbares Geschenk der Natur. Die Bäume haben den Grundstein dafür gelegt, dass die Säugetiere und damit auch wir Menschen hier leben können. Sie atmen CO2 ein, lagern den reinen Kohlenstoff in ihrem Holz und atmen den Sauerstoff wieder aus. Sie sind also die Quelle unseres Lebens und sie bieten weltweit den Lebensraum für unzählige Tiere und Pflanzen.
Wenn wir nur achtsam genug hinschauen, den Wald bei einem Spaziergang versuchen zu fühlen sowie uns mit den Forschungsergebnissen renommierter Fachleute und Wissenschaftler beschäftigen, können wir unermesslich viel von ihm lernen. Die Bäume sind durch und durch soziale Wesen. Sie können für uns wahre Vorbilder für ein respektvolles Zusammenleben und ja – für Mitgefühl und Liebe sein.
Vieles, was das Leben der Waldbäume ausmacht, bleibt unseren Augen zunächst verborgen. Forschungen haben ergeben, dass die Bäume über ihre Wurzeln ein geradezu freundschaftliches Verhältnis zu Pilzen pflegen, mit denen sie im wahrsten Sinne des Wortes durch dick und dünn gehen. Das unterirdische Pilzgeflecht übermittelt ähnlich unserem Nervensystem durch biochemische Impulse Informationen und Nachrichten. Es ist quasi das Internet des Waldes, über das die Bäume lebenswichtige Informationen wie z.B. eine drohende Invasion durch Borkenkäfer austauschen. So warnen sich Bäume bei Gefahren gegenseitig und wehren sich gemeinsam. Selbstverständlich bekommen die Pilze gewissermaßen einen Lohn für ihre Netzwerkarbeit. Die Bäume geben ihnen einen Teil vom Zucker, also dem Treibstoff, den sie bei der Fotosynthese herstellen.
Wenn wir gut hinschauen, können wir sehen, dass es den Bäumen in einem gesunden und natürlichen Mischwald am besten geht und das „Pilzinternet“ hier bestens funktioniert. Jede Baumart hat ihre eigenen Stärken und die Bäume wissen genau, dass sie nur friedlich miteinander und im Team stark genug sind, um sich gegen Trockenheit, Stürme und Schädlingsbefall zu schützen. Oder hast Du schon einmal gehört, dass sich Eichen, Buchen, Fichten, Kiefern, Birken, Erlen usw. bekämpfen oder gar gegeneinander Krieg z.B. um Ressourcen führen? Im Gegenteil – jede Baumart trägt ihren Teil zum Erhalt eines gesunden Waldes und der Natur bei.
Natürlich gibt es unter den Bäumen auch einen Wettkampf um den sprichwörtlichen Platz an der Sonne. Jeder Baum ist bestrebt, möglichst rasch seine Krone mit den Blättern und Nadeln zur Quelle seiner Energie zu recken, dem Licht der Sonne. Dabei wächst allerdings kein Baum ins Unermessliche und er strebt nicht nach immer mehr Wachstum, Ressourcen und Profit. Hat er seine Höhe erreicht, versorgt er seine Nachbarn mit Humus und Nährstoffen. Wie gesagt – Bäume sind soziale Wesen!
Der naturnahe Wald betreibt eine dezentrale Energie- und Nährstoffversorgung mit Hilfe der Sonne, dem Regenwasser und den Mikroorganismen im Boden. Er braucht keinen Anschluss an Elektrizitätswerke oder sonstige Versorger. Und er sorgt selbstverständlich im eigenen Interesse dafür, dass sein nährender Boden möglichst gesund bleibt und vor Erosion geschützt ist. An heißen Sommertagen spendet sein dichtes Laubdach allen seinen Bewohnern und auch Besuchern viel Schatten und die Verdunstung sorgt für angenehme Temperaturen.
Auch da könnte er uns als gutes Vorbild für einen Wandel unseres Wirtschafts- und Wachstumsdenkens hin zu einer dezentralen und gemeinschaftlichen Struktur sowie einem bewussten Umgang mit der Natur und den begrenzten Ressourcen unserer Erde dienen.
Wenn ich in den Wald gehe, verspüre ich eine tiefe innere Ruhe und Frieden. Ich werde demütig beim Anblick der Bäume, diesen gewaltigen und Jahrhunderte alten Naturwundern. Und ich frage mich, was die riesige alte und majestätische Eiche zu erzählen hätte. Was hat sie schon alles erlebt, wie viele Stürme, Dürren, Hochwasser und auch Kriege hat sie gesehen und überstanden? Wie viele junge Bäume sind aus ihren Samen gewachsen? Wie vielen Tieren hat sie ein Zuhause und Nahrung geschenkt? Und wie viele Menschen haben sie schon umarmt und vielleicht ein Nickerchen in ihrem Schatten gehalten?
Obwohl wir Menschen nicht immer sehr sorgsam, sensibel und nachhaltig mit dem Wald und der Natur umgehen, sind die Bäume auch zu uns mehr als sozial. Sie versorgen uns schließlich immer weiter und so gut sie können mit dem lebenswichtigen Sauerstoff, ihrem Holz als Baumaterial und als stille Begleiter für unsere Seelen. Diese Verbundenheit und das Bewusstsein dafür sollten uns sehr wichtig sein!
Auf Einladung von Bundesministerin Julia Klöckner haben sich am 25. September dieses Jahres mehr als 230 Teilnehmer aus Verbänden, Wirtschaft und Politik in Berlin getroffen und über den Zustand des deutschen Waldes diskutiert. Zuvor haben am 10. August 2019 ca. 70 Experten, Waldbesitzer und Verbändevertreter einen offenen Brief an Frau Klöckner geschrieben, in dem sie die aktuelle Situation des Waldes beschreiben und einen Masterplan fordern.
Ich habe dazu inzwischen einiges gelesen und mich dabei gefragt, was wohl die Bäume zu den teilweise wenig sachlichen Diskussionen sagen würden. Ich denke sie hätten allen Grund dazu, uns Vorwürfe zu machen! Waren es nicht wir Menschen, die sie besonders im 20. Jahrhundert durch Kriege zerstört und anschließend die Bäume in Form von Monokulturen und sozusagen in „Reih und Glied“ wieder aufgeforstet haben? Sind es nicht diese Plantagen, die nun besonders anfällig für die Trockenheit der letzten Jahre, für Waldbrände und den Befall von Schädlingen sind und aus diesem Grund nun wieder sterben? Sind es nicht wir Menschen, die mit großen und schweren Maschinen die uralten Bäume roden, deren Holzressourcen rücksichtslos ausbeuten und damit die Bodenstruktur und den Lebensraum junger natürlich gewachsener Bäume vernichten?
Jetzt sind rationale und respektvolle Diskussionen, Entscheidungen und Handlungen erforderlich, die dem Wohl des Waldes und damit unser aller Gesundheit dienen! Vielfach liegt es in der Ungeduld des Menschen, oberflächliche Abhilfe schaffen zu wollen, dafür Geld in die Hand zu nehmen, Schäden rein mechanisch zu beheben…. und dabei leider auch bereits zuvor begangene Fehler zu wiederholen.
In den kommenden vier Jahren sollen in Deutschland insgesamt 800 Millionen EURO für den „Wald im Klimawandel“ investiert werden. Nur was soll mit diesem Geld geschehen? Die Jahrhunderte alten Naturwälder haben in ihrem Leben schon so manche Kälte-, Wärme- und Trockenheitsphasen erlebt und überlebt. Auch wenn es uns vielleicht schwerfällt das zu akzeptieren: Wir Menschen können keinen Wald machen! Das schafft nur die Natur, wir müssen sie nur machen lassen und das braucht Zeit. Dafür brauchen wir Geduld und Gelassenheit und wir müssen es sein lassen, die Natur weiter achtlos zu schädigen und auszubeuten.
Unsere Steuergelder sollten wir für sinnvolle und nachhaltige Projekte nutzen, um die Wälder bei ihrer Regeneration zu unterstützen. Wir sollten es schaffen, dass mindestens 5 % der Wälder nicht bewirtschaftet, sondern als Urwälder erhalten werden. Die Holzernte im übrigen Wald muss in erster Linie unter ökologischen und nicht profitorientierten Gesichtspunkten erfolgen. Selbstverständlich können wir dabei achtsam und respektvoll unseren Bedarf insbesondere für den Bau von Häusern und Möbeln aus dem nachhaltigen Rohstoff Holz auch mit alten Bäumen decken, um anschließend den jungen Bäumen einen gesunden Wuchs ans Licht der Sonne zu ermöglichen. Dabei müssen wir unbedingt dafür sorgen, dass wir die Lebensgrundlage des Waldes erhalten, nämlich den Boden auf dem er wächst!
Jeder Mensch sollte lernen und ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie wichtig der Wald für uns ist. Das uralte Wissen der Menschheit zum Leben der Bäume, zu natürlichen Wäldern und zum wertvollen Rohstoff Holz sollte ein elementarer Bestandteil im Unterricht an Schulen und Universitäten sein – in der Theorie und in der Praxis.
Ich habe in meinem Leben schon so manchen Baum gepflanzt. Es ist wunderschön und sehr befriedigend ihn wachsen und gedeihen zu sehen. Ich musste auch schon miterleben, wie ein von mir gepflanztes Bäumchen wieder gestorben ist. Das muss ich akzeptieren – so ist das in der Natur. Diese Erfahrungen sollten alle, insbesondere junge Menschen machen dürfen.
MENSCHLICHE WELT steht für den Vorschlag, dass Schüler, Studenten und Freiwillige an Pflanz- und Aufforstungsaktionen unter fachkundiger Anleitung beteiligt werden. Dafür braucht es letztlich nur junge Bäume, Spaten sowie lernwillige und achtsame Menschen.
Wir können so viel von den Bäumen lernen: Respektvoller und friedvoller Umgang miteinander und allen Lebewesen, soziales Verhalten und Dienst zum Wohle aller, Bescheidenheit, Selbstfürsorge durch Erhaltung der Lebensgrundlagen, Demut, Mitgefühl, Liebe und noch so vieles mehr.
Wenn auch Du Dich für den Schutz des Waldes und der Natur zum Wohl aller einsetzen möchtest, laden wir Dich herzlich dazu ein, mehr darüber zu erfahren und uns zu unterstützen.
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In Verbindung zu diesem Thema weisen wir auf dieses aktuelle Interview hin:
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