Wie wir wirtschaftliche Demokratie erreichen können
Dominik Laur | 26.06.2019
In Deutschland genießen wir theoretisch das Privileg in einer verfassungsmässig garantierten Demokratie zu leben. In Artikel 20 des Grundgesetzes heisst es dazu erläuternd: “Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. […]”
Die staatliche Gewalt steht also verfassungsgemäß unter der Herrschaft des Volkes. Doch reicht das aus, um wirklich von einem demokratischen System zu sprechen?
In einer Zeit, in der transnationale Konzerne Staaten gegeneinander ausspielen, in der sich Unternehmen in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz AGB’s, praktisch ihre eignen Gesetze schreiben und in der – wie in Brüssel – 25 Lobbyisten auf einen Abgeordneten kommen, bezweifele ich das.
Ja, ein sehr einflussreicher Bestandteil unserer Gesellschaft, der Staat, wird in der Theorie demokratisch kontrolliert. Ein mindestens ebenso bedeutender Teil, die Wirtschaft, befindet sich jedoch fast ausschließlich unter privater Kontrolle.
Im Bereich der Wirtschaft werden Entscheidungen meistens nicht demokratisch legitimiert, sondern hierarchisch von wenigen Individuen getroffen. Und das hat weitreichende Auswirkungen auf unser aller Leben.
Betrachten wir dazu das Verhalten des Internetriesen Google, dessen Videoplattform YouTube vermehrt in der Kritik steht, die Verbreitung von Videos entsprechend der eigenen politischen Agenda zu fördern oder einzuschränken.
Damit betreibt YouTube aufgrund seiner enormen Nutzerzahlen effektiv eine Form von Zensur mit weitreichenden Auswirkungen. Und das völlig legal und entsprechend der Gesinnung entscheidender Figuren bei Google bzw. bei Googles Mutterkonzern Alphabet.
Dieses Beispiel verdeutlicht das generelle Problem einer privatwirtschaftlich organisierten Wirtschaft in einem demokratischen Staat. Zwar ist es auf dem Papier so, dass jederzeit Gesetze erlassen werden könnten, die solches Verhalten untersagen. In der Praxis sind wirtschaftliche Akteure, besonders in Form multinationaler Konzerne, jedoch oft so mächtig, dass sie sich effektiv gegen Regulierungen wehren oder sie mit Hilfe rechtlicher Konstrukte unterlaufen können.
Das Ergebnis sind oft Entscheidungen, die zwar völlig legal sind, aber nur einem relativ kleinen Teil der Gesellschaft nützen und dabei dem Gemeinwohl schaden.
Wie wir die Wirtschaft demokratisieren können
Das Ungleichgewicht zwischen privater und demokratischer Macht können wir durch ein dezentralisiertes Wirtschaftssystem ausgleichen. Ein solches Wirtschaftssystem bezeichnen wir als Gemeinwohlwirtschaft.
Wie auf dem Schaubild ersichtlich, würde eine Gemeinwohlwirtschaft auf drei Säulen ruhen. Die beiden kleineren Säulen links und rechts sind einerseits die derzeit dominante Privatwirtschaft und auf der anderen Seite stehen staatliche Betriebe. Die größte Säule bildet das Genossenschaftswesen.
Entscheidend ist, dass nur solche Unternehmen privatwirtschaftlich oder staatlich organisiert werden, die gar nicht oder nicht sinnvoll genossenschaftlich organisiert werden können.
Privatwirtschaftlich würden hauptsächlich kleine, freischaffende Betriebe wie Arztpraxen oder Anwaltskanzleien organisiert. Das jedoch nur solange, wie ihr gesellschaftlicher Einfluss relativ gering bleibt. Eine Obergrenze für Privatbetriebe könnte bei etwa 10 Mitarbeitern liegen. Sobald der gesellschaftliche Einfluss zu groß wird, müssten sie in Genossenschaften umgewandelt werden oder das weitere Wachstum gestoppt.
Staatliche Betriebe wären für Aufgaben zuständig, die überregional geplant und durchgeführt werden müssen. Dazu zählen u.a. die Verkehrs-, Energie-, und Kommunikationsinfrastruktur.
Der weit überwiegende Anteil der Unternehmen sollte genossenschaftlich organisiert werden. Das bedeutet, dass alle Mitarbeiter auch gleichzeitig Teilhaber*innen der Unternehmen wären, für die sie arbeiten und dementsprechend in alle Entscheidungsprozesse einbezogen werden müssen.
Das würde grundsätzlich alle unternehmerischen Fragen einschließen. Von Löhnen und Gehältern über die Arbeitszeit bis hin zu operativen und strategischen Entscheidungen.
Ein solches System ist leicht umsetzbar
Die Wirtschaft in diese Richtung weiterzuentwickeln, ist mit wenigen passenden Gesetzen und der Entwicklung eines Übergangsplans möglich.
Genossenschaften existieren bereits als rechtliche Gesellschaftsform. Es müssten daher lediglich genaue Regeln festgelegt werden, die bestimmen, welche Gesellschaftsformen für welche Unternehmen möglich sind.
Darüber hinaus könnte ein Großteil der bestehenden Unternehmen in ihrer jetzigen Form weiter bestehen. Es würden lediglich eine Änderung ihrer Eigentümerstruktur und der internen Entscheidungsprozesse hin zu einem demokratischen System stattfinden.
Eine solche, demokratische Entscheidungsfindung innerhalb großer Unternehmen würde Entscheidungen für das Gemeinwohl begünstigen und damit schädliche Verhaltensweisen wie die von Google reduzieren oder beenden.
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