Wird atomar aufgerüstet?
Dominik Laur | 28.08.2019
Seit dem 02. August ist der INF-Vertrag zum Verbot von nuklearen Mittelstreckenraketen zwischen Russland und den USA nicht mehr in Kraft. Seitdem berichten die Mainstream Medien kaum noch darüber. Auch nicht darüber, dass die USA und NATO die nukleare Aufrüstung in Europa und dem Pazifik massiv vorantreiben.
Zum Beispiel verkündete die NATO am 09. August den Abschluss der Modernisierung des ballistischen Raketenabwehrsystems Aegis, welches auf der Raketenbasis in Deveselu, Rumänien stationiert ist.
In der entsprechenden Pressemitteilung verkündet die NATO, dass bei der Modernisierung keinerlei Offensivfähigkeiten zu dem Raketensystem hinzugefügt wurden. Doch wie glaubhaft ist das?
Auf der englischsprachigen Wikipedia Seite zum Aegis System kann leicht nachgelesen werden, dass das übergeordnete “Aegis-Kampf-System” aus mehreren Untersystemen besteht. Eines dieser Untersysteme ist das “Mark 41 Vertikale Abschuss System”. Dabei handelt es sich im wesentlichen um eine Abschussrampe für Raketen, die mit verschiedenen Raketentypen bestückt werden kann.
Eine mögliche Munition für das Mark 41 Abschusssystem sind Tomahawk Raketen. Diese dienen ihrerseits dem Angriff auf Bodenziele. Zudem können sie mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden.
Diese Variante der Tomahawk Raketen wurde 1991 als aufgrund des INF-Vertrages aus dem Verkehr gezogen. Nun ist ihr Einsatz wieder legal möglich.
Zeichen der Aufrüstung
Ob mit oder ohne nuklearen Sprengköpfe: Klar ist, dass es sich bei Aegis keinesfalls um ein reines Raketenabwehrsystem handelt. Die offensiven Fähigkeiten dieses Systems stehen seinen Abwehrmöglichkeiten in nichts nach.
Doch das Aegis System wird nicht nur in Rumänien “modernisiert”. Im polnischen Redzikowo befindet sich seit 2016 eine gänzlich neue US-Raketenabwehrbasis im Bau. Diese wird voraussichtlich 2020 Einsatzbereit sein und ist ebenfalls mit dem Aegis System bestückt.
Weitere Einblicke über den Ausbau des atomwaffenfähigen Raketensystems Aegis liefern Veröffentlichungen der US-Regierung.
Laut einem Dokument des Forschungsdienstes des amerikanischen Kongresses vom 24. Juli verfügt die USA derzeit über eine Flotte von 38 Kriegsschiffen, die mit dem Aegis System ausgestattet sind. Von diesen 38 Kriegsschiffen “sind 4 in europäischen Gewässern stationiert, um Europa vor potentiellen Raketenangriffen zu schützen”.
Weiterhin soll die Flotte laut des Berichts bis 2024 um 21 auf dann insgesamt 59 Kriegsschiffe erweitert werden.
Für alle Erweiterungen des Aegis Systems sind im Fiskaljahr 2020 1.8 Milliarden Dollar des US-Haushalts vorgesehen. Zusätzlich zu dem bereits erwähnten Erweiterungen werden in Japan zwei neue Raketenbasen von den USA gebaut und Südkorea und Australien werden mit dem Aegis System ausgestattete Schiffe von den USA erwerben.
All diese Entwicklungen fallen zeitlich auffällig gut mit der Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA zusammen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass die USA und mit ihr die NATO gerade im Begriff sind, die einst verbotenen nuklearen Mittelstreckenraketen möglichst nahe an den russischen und chinesischen Grenzen zu positionieren.
Gestützt wird diese Vermutung auch durch die US-Regierung selbst. Der amtierende Verteidigungsminister der USA, Mark Esper, sagte Anfang August er würde atomare Mittelstreckenraketen “lieber früher als später” im Pazifikraum stationieren.
Diese neuerliche Verwandlung Europas sowie Asiens und des pazifischen Raumes in ein potentielles nukleares Schlachtfeld findet von der Öffentlichkeit fast unbemerkt statt, obwohl sie uns hier in Europa besonders betrifft.
Wie konnte es soweit kommen?
Als Begründung für das Aufkündigen des INF-Vertrags gaben die USA Verletzungen des Vertrages durch Russland an. Dass diese Begründung stimmt ist unwahrscheinlich, weil Russland bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des Vertrages beteuerte, den Vertrag aufrecht erhalten zu wollen und der USA entsprechende Verhandlungsangebote machte.
Eine schlüssigere Erklärung behauptet, der wahre Grund hinter der Aufkündigung des INF-Vertrages sei China. China war nicht Partner in dem Vertrag. Es konnte atomare Mittelstreckenraketen daher völlig legal besitzen und soll bereits 2000 Trägersysteme des Typs „JuLang“ besitzen.
Aus dieser Perspektive hatten sowohl Russland als auch die USA ein strategisches Interesse an der Auflösung des INF-Vertrages.
Doch auch diese Situation rechtfertigt die Aufkündigung des INF-Vertrages nicht. Man stelle sich dazu einmal vor in einem Sandkasten bräche ein Streit zwischen 3 Kindern aus, von denen einer ein Messer trägt. Anstatt ihm das Messer abzunehmen, verständigen sich die anderen beiden darauf, dass sie nun auch Messer tragen werden.
Das macht die Situation für alle beteiligten gefährlicher. Auf diese Weise gefährdet das Aufkündigen des Vertrages die Sicherheit der Weltbevölkerung. Damit verletzt die politische Führung wiederum ihre Fürsorgepflicht. Die Ursache für diese Destabilisierung der geopolitischen Situation ist also fehlerhafte Führung.
Atomares Aufrüsten verhindern
Eine Alternative zur Aufkündigung des Vertrages wäre eine internationale Bemühung gewesen, China dazu zu bewegen, sich dem Vertrag anzuschließen. Hierzu hätte man verschiedene Möglichkeiten besessen, um Druck auf China auszuüben. Diesen Bemühungen hätte eine wohlwollende und kompetente Führung angestrengt.
Nun ist der Vertrag bereits Geschichte. Dennoch bleibt eine Möglichkeit, die nukleare Aufrüstungsspirale zu verhindern. Hierzu könnte die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag der UN unterzeichnen und für seine Verbreitung werben.
Dieser Vertrag verbietet Atomwaffen weltweit und beseitigt damit eine der größten Bedrohungen unserer Zeit. Seine Unterzeichnung ist eines der Ziele unserer Politik.
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